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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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ihn über das Rollfeld rennen zu sehen, um uns zu helfen.
    Kurz bevor wir an Bord gingen, versuchte ich mit Machokali über das ungeklärte Schicksal des Herrn der Krähen zu reden. Ich zeigte ihm eine Zeitung, die ich gekauft hatte, in der es in jedem zweiten Artikel um die Verhaftung, die Hinrichtung oder die Inhaftierung eines schwarzen Mannes ging. Feindseligkeit gegenüber Immigranten war nichts Ungewöhnliches. War er nicht auch der Meinung, wir sollten uns wegen des Zauberers mit den amerikanischen Behörden in Verbindung setzen? Machokali blieb ungerührt. Soll er in einem amerikanischen Knast verrotten, grunzte er mich an und fügte hinzu, dass er mit Zauberern und ihren Entschwindungskünsten nichts mehr zu tun haben wolle. Ich aber habe nie aufgehört, an ihn zu denken und mir Sorgen um ihn zu machen. Ehrlich! Haki ya Mungu !“

26
    Machokali war angespannt, als er das Flugzeug mit dem Herrscher, Dr. Wilfred Kaboca, Dr. Luminous Karamu-Mbu und A.G. mit seinen Sicherheitsleuten bestieg, und fand seine Gelassenheit erst wieder, als sie in der Luft waren. Er zog sein Sakko aus, faltete es zweimal zusammen und legte es auf den leeren Sitz neben sich. Jetzt würde er Zeit haben, die Dinge in ihrer wirklichen Perspektive zu überdenken. In all den Jahren als Außenminister hatte er nie eine Reise erlebt, die von so vielen Wirren und Wendungen heimgesucht worden war, und er wusste nicht, was letztendlich alles so erschwert hatte: der besondere Gesundheitszustand des Herrschers oder das Verhalten der Global Bank.
    Die Krankheit des Herrschers hatte es ihm nicht erlaubt, Initiativen zu seinem und des Herrschers Vorteil zu ergreifen, dazu gehörte auch die Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Aber das war jetzt egal, nachdem Marching to Heaven auf Eis gelegt war, bis das Geld von der Global Bank kam. Dass die Tür zu weiteren Verhandlungen nicht zugeschlagen worden war, empfand Machokali als Hoffnungsschimmer. Die Rückkehr nach Aburĩria gab ihnen Zeit, den Plan zu überarbeiten, ohne sich ständig Sorgen machen zu müssen, dass der Herrscher im Ausland in seine Einzelteile zersprang.
    Während der Marathonrede des Herrschers vor seinen Ministern im Hotel war es Machokali gelungen, im Dickicht des Wortschwalls weitere Argumente für Marching to Heaven zu entdecken. Bei seiner Rückkehr nach Eldares würde er eine Gruppe führender Wirtschaftsexperten aus Geschäftswelt und Hochschule zusammentrommeln, die das Anliegen des Herrschers ausschmücken sollten, um die Global Bank stärker zu beeindrucken. Er könnte sogar zusätzlich Experten aus Europa und Amerika einfliegen lassen, um das aburĩrische Team aufzustocken. Während er darüber nachdachte, griff er nach einem Taschentuch in seiner Sakkotasche und entdeckte den gefalteten Zettel, den ihm der Mann am Empfang gegeben hatte. Er fühlte sich gut und wollte sich nicht mit dieser Belanglosigkeit befassen, deshalb knüllte er ihn zusammen. Er wollte ihn wegwerfen, doch dann dachte er: Wer hat eine handschriftliche Nachricht für mich hinterlassen? Mgenzi vielleicht? Yunice Immaculate Mgenzi, die stellvertretende Botschafterin Aburĩrias in Washington?
    Machokali bewunderte seit jeher die Art des Herrschers, mit Frauen umzugehen, vor allem mit dieser Frau, die sich von einer inbrünstigen Anhängerin Mao Tse-Tungs zu einem treuen Schoßhündchen des Herrschers gewandelt hatte!
    Als sie in Amerika angekommen waren, hatte Yunice Mgenzi etliche Privataudienzen beim Herrscher gehabt, von denen einige die ganze Nacht gedauert hatten. Seit dem Ausbruch der Krankheit des Herrschers hatten sich die beiden nicht mehr getroffen. Machokali und die anderen Minister hatten entschieden, dass es nicht gut sei, einer Frau zu gestatten, den Herrscher in seinem gegenwärtigen Zustand zu sehen. Yunice Immaculate Mgenzi hatte immer wieder angerufen und verlangt, den Herrscher zu sprechen, was Machokali dazu gezwungen hatte, alle möglichen Geschichten zu erfinden, wie sehr sich der Herrscher in die delikaten Angelegenheiten der internationalen Diplomatie vertieft hätte. Zu guter Letzt teilte er ihr mit, der Herrscher habe gesagt, er würde sie persönlich zurückrufen, jedoch auch dann hatte sie noch gedroht, persönlich vorbeizukommen. Was, wenn der Herrscher und Mgenzi später herausfanden, dass er ihre Nachricht nicht an den Herrscher weitergeleitet hatte?
    Machokali faltete eilig den Zettel auf: Wissen war Macht.
    Die vier Zeilen ergaben keinen Sinn. Er drehte

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