Herr der Krähen
fertig war, ihn mit Schimpfnamen zu bombardieren, befand sich Machokali auf vollem Rückzug zu seinem Platz.
„Warte!“, schrie der Herrscher ihm hinterher. „Komm zurück. Gib mir den Zettel! Oder hast du etwa vor, ihn den anderen zu lesen zu geben?“
Machokali hatte vergessen, dass er ihn noch in der Hand hielt. Er kehrte um und gab ihn behutsam dem Herrscher zurück. Als Machokali sich nun zurückzog, war er vollkommen gebannt: Der Herrscher hatte den Zettel gepackt, in den Mund gesteckt, gekaut und heruntergeschluckt, während er Machokali die ganze Zeit anstarrte.
„Ich will von dieser Sache nie wieder etwas hören, egal aus welchem Mund.“
Z W E I T E R T E I L
1
Es war der Lärm des landenden Flugzeugs, der die Rückkehr des Herrschers von seinem legendären Besuch in Amerika ankündigte, denn er war lauter als Donner. Die Leute sagten, nur Seine Allmächtigkeit könne einen Donner ohne Blitz und Regen bewirken, aber irgendetwas stimme nicht, fügten sie hinzu, weil der Herrscher wie ein Dieb im Schutz der Dunkelheit zurückkam. Die Prozession aus Diplomaten, Ministern und Tänzern, die ihn empfingen, wenn er von Auslandsbesuchen heimkehrte, war nirgends zu sehen. Und als er nicht im Fernsehen auftauchte, versicherten die Leute voller Überzeugung: Jawohl, irgendetwas stimmte nicht, der Herrscher war immer live im Fernsehen zu sehen, wenn er aus dem Ausland zurückkam. Als nach Tagen immer noch keine Fotos oder Fernsehberichte über seine Rückkehr erschienen, begannen die Leute zu flüstern: Ist sein Leichnam per Schiff aus Amerika zurückgebracht worden?
Selbst als der Informationsminister Big Ben Mambo eine Erklärung abgab, der Herrscher habe sich ins State House zurückgezogen, um über die Zukunft des Landes nachzudenken, ließen die Gerüchte nicht nach. Im Gegenteil, die Erklärung goss nur Öl ins Feuer.
Viele Minister tappten im Dunkeln, warum sich der Herrscher im State House verschanzt hatte, und nur wenige wussten, dass er schluchzte wie ein Kind, auch wenn ihm dabei keine Tränen aus den Augen rannen. Sie ahnten nicht, dass ihn das Verlangen nach Rache am Herrn der Krähen völlig verzehrte. Doch anders als sonst, da seine Tränen mehrere Fässer füllten, fiel diesmal wirklich nicht ein Tropfen, was seine Niedergeschlagenheit verstärkte und ihn nur noch mehr schluchzen ließ. Die unvergossenen Tränen eines ungestillten Racheverlangens sind nervenaufreibend und verlangen nach Zurückgezogenheit.
Nur die Befehlshaber der Streitkräfte hatten Zutritt, weil er ihren Rapport hören wollte, bevor er Sikiokuu und andere Minister vorließ. Nachdem sie berichtet hatten, befahl er ihnen, vom State House aus zu kommandieren, denn er wollte ein Auge auf sie haben, da er einen Militärputsch fürchtete. Doch auch wenn der Herrscher durch das Militär abgeschirmt und beschützt wurde, fanden die Worte aus der Nachricht des Zauberers weiterhin einen Weg in sein Bewusstsein – der Herrscher ist schwanger –, und wenn das geschah, schrak er zusammen, als flüsterte ihm jemand diese Worte tatsächlich ins Ohr. Gerüchte besagen, dass der Herrscher einmal einen Armeeführer packte, der zufällig anwesend war, und ihn fragte: „Hast du etwa gewagt zu sagen, ‚Der Herrscher ist schwanger‘?“ Und der Mann stieß hervor: „Oh, nein, nein, ich habe kein Wort gesprochen.“ Als dem Herrscher sein Versehen klar wurde, tat er so, als wäre alles ein Scherz gewesen: „Ich wollte nur prüfen, ob du auch jederzeit wachsam bist.“ Dennoch schärfte er dem Mann ein, niemandem von diesem Vorfall zu erzählen, nicht einmal sich selbst. Der Offizier antwortete: „Wovon sprechen Sie? Ich kann mich an nichts erinnern.“ Aber diese offensichtlich ehrliche Antwort machte dem Herrscher nur noch mehr Angst. Wenn der Mann so leicht vergessen konnte, was gerade geschehen war, wie konnte der Herrscher dann sicher sein, dass er nicht genauso schnell vergaß, gerade gewarnt worden zu sein, weder sich selbst noch jemand anderem von diesem Vorfall zu erzählen? Er mochte ihn aber nicht fragen, woran er sich nicht erinnere, denn er wollte vermeiden, dass der Offizier die Worte „der Herrscher ist schwanger“ wiederholte. Sein Gemüt war in heller Aufregung, und weil er sich nicht zu helfen wusste, schluchzte er in solchen Momenten tränenlos mit noch größerer Niedergeschlagenheit und Verbitterung, während seine Schultern zuckten und sein Körper zitterte. Einige Leute vermuteten,
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