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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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der Herrscher schwanger war und einen Geheimgarten besaß, in dem Dollarsträucher wuchsen. War das der Grund, warum er seit seiner Rückkehr aus Amerika nicht mehr öffentlich aufgetreten war? Spendete der Herrscher deshalb immer an Selbsthilfeprogramme und behauptete, das Geld käme von ihm und seinen Freunden?
    Als A.G. einmal zu Fuß unterwegs war, entdeckte er an einem Strommasten ein Plakat, auf dem ein Bild zu sehen war, das offensichtlich den Herrn der Krähen darstellen sollte. Mehr als das Bild brachte ihn der Name aus der Fassung. Es war kein Foto und sah eher wie eine Polizeizeichnung aus. Er dachte an seine Gespräche mit Machokali und seine Warnung an den Minister, dass keine menschliche Hand fähig sei, ein Abbild des Herrn der Krähen zu zeichnen, weil dieser vielerlei Gestalt habe: Mann, Frau, Kind, eine Mütze auf irgendeinem Kopf, ein Vogel, ein Blitz, ein Wirbelwind! Die Zeichnung sah aus wie eine Kreuzung aus Jesus und Sikiokuu und man bot dem Herrn der Krähen eine Belohnung.
    War dies Machokalis Werk?, fragte sich A.G. verärgert. Von dem Machokali, der ihn mit der Aufgabe betraut hatte, den Herrn der Krähen zu finden? Hatte er so wenig Vertrauen, dass er, kaum dass man ihm den Rücken kehrt, im ganzen Land diese Zeichnung vom Herrn der Krähen anbringen lässt?
    Er rief Machokali an. Der Minister bestritt, so etwas angeordnet zu haben, und wunderte sich, wer es getan haben könnte.
    „Stell fest, wer dafür verantwortlich ist“, sagte Machokali, „aber verlier dabei nicht das Eigentliche aus den Augen, ergreife den Herrn der Krähen. Und noch etwas. Es wimmelt nur so von Geschichten, der Herrscher sei schwanger. Krieg heraus, woher diese verleumderischen Gerüchte kommen.“
    A.G. war sich nicht bewusst, selbst der Ursprung dieser Gerüchte zu sein. Er werde sich darum kümmern, versicherte er Machokali, und setzte seine Reisen fort, nachdem er die Telefonnummer notiert hatte, die auf dem Plakat stand. A.G. hatte viele Freunde bei der Polizei und beim Geheimdienst. Einige standen in seiner Schuld, weil er ihnen frühzeitig, lange bevor dieser mit seiner Magie zu Ruhm gelangt war, vom Herrn der Krähen erzählt hatte. Deshalb dauerte es nicht lange, bis er herausfand, wer hinter dem Plakat steckte. Das kümmerte ihn aber nicht allzu sehr. Reiner Unsinn, sagte er zu sich. Der Herr der Krähen ließ sich nicht bestechen oder überlisten.
    Er wollte sich nicht in den Machtkampf zwischen Machokali und Sikiokuu hineinziehen lassen. Sollte Sikiokuu ruhig seine Pläne verfolgen, er würde einfach weiter nach dem Wesen suchen, das alles mit Leben erfüllte.
    „Ehrlich! Haki ya Mungu , ich war bewaffnet mit dem Glauben und der Hoffnung, dass ich, wenn ich nur durchhielte, irgendwo und irgendwann eine Stimme sagen hören würde: Der Mann ist hier.“

18
    Kaniũrũ hatte schon immer sein Bild in der Zeitung sehen wollen. Er war frustriert und wütend auf die Presse, denn selbst als er zum Anführer der Jugendbrigaden und später zum Stellvertreter des Vorsitzenden von Marching to Heaven berufen worden war, hatte sich nicht eine einzige Zeitung für ihn interessiert und sein Bild veröffentlicht. Deshalb war er sehr zufrieden, als er bei seinem ersten Seminar sah, wie zwei Reporter ihre Fotokameras auspackten.
    Das eintägige Seminar zum „Kaniũrũ-Memorandum zu Neuen Bildungsinitiativen für Jugendliche und Frauen zum Zwecke ihrer Ausrichtung auf Nationale Ideale und die Philosophie des Herrschers“ sollte der Beginn einer Reihe von Seminaren in den verschiedenen Landesteilen sein, weshalb viel von seinem Erfolg abhing. Es fand in der Ruler’s Hall in Eldares statt und sollte morgens um zehn beginnen. Die Beteiligung war eine Katastrophe. Nicht einmal die Mitglieder der Jugendbrigade tauchten auf, weil sie annahmen, das Seminar sei für diejenigen gedacht, die die Papageiologie noch nicht als Norm akzeptierten. Um elf Uhr waren die Hauptredner – ein Professor für Geschichte der Papageiologie, ein Professor der Politischen Wissenschaft der Papageiologie, ein Professor für Literaturwissenschaft, ein Professor für Psychologie und Philosophie der Papageiologie, ein Professor für die Naturwissenschaft der Papageiologie und schließlich Kaniũrũ, der Leiter des Seminars – die einzigen Anwesenden. Sie saßen auf dem Podium und warteten auf Teilnehmer, aber die beiden Reporter blieben das einzige Publikum. „Scheint, dass es hier nach afrikanischer Zeit geht“, versuchte Kaniũrũ mit den

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