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Herr der Krähen

Herr der Krähen

Titel: Herr der Krähen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong
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konnte sein Glück nicht fassen. Sobald er auf der Straße war, rannte er in entgegengesetzter Richtung davon.
    Er rannte sieben Tage und Nächte ohne auszuruhen, bis er sein Ziel, das Hauptquartier der Soldaten Christi in Santalucia, erreichte. Erschöpft brach er vor den christlichen Kämpfern zusammen, und sie brauchten eine Weile, um zu entschlüsseln, was er ihnen sagen wollte.
    „Ich bin einer der drei Müllmänner, denen Satan vor einigen Jahren an einer Müllhalde im Grasland auflauerte. Erinnert ihr euch an mich? Seither ist viel passiert. Jeder von uns dreien unternahm etwas anderes, um sich vor dem Bösen zu schützen. Einer hat sich euch angeschlossen, er geht wie ihr mit Bibel und Kreuz und dem Wort des Herrn bewaffnet einher. Der andere, der Fahrer, suchte Schutz bei Seiner Allmächtigen Jugend, ausgestattet mit Gewehren und Peitschen und dem Wohlwollen des Herrschers. Ich aber machte etwas Törichtes. Ich versuchte, mich dort zu verstecken, wo sich die Leute zum Trinken treffen. Ich würde mich mit meinem Gehstock gegen jeden satanischen Angriff verteidigen, dachte ich. Doch was soll ich euch sagen? Ich habe ihn das erste Mal in meiner Stammkneipe gesehen und prahlen gehört und sagte mir, du begegnest mir nie wieder, von jetzt an werde ich ständig unterwegs sein und nie zweimal hintereinander in ein und derselben Bar trinken. Nun, ich hatte mich getäuscht, weil ich, dem Alkohol verfallen, nicht daran dachte, dass Satan mir von Bar zu Bar folgen und mich finden würde, egal, wo ich mich versteckte. Und so entdeckte er mich schließlich. Also, ich will euch etwas sagen. Ich bin nur knapp entkommen. Wenn dieser Gehstock mit dem Kreuzgriff nicht gewesen wäre, hätte Satan mich erkannt und ich würde jetzt nicht vor euch stehen und bezeugen, dass ich ihn mit eigenen Augen gesehen habe, so wie er uns an der Müllhalde im Grasland erschienen ist. Ich bin hier, um euch zu sagen, dass ich bekehrt bin. In all den zurückliegenden Jahren habe ich vergeblich Trost im Schnaps gesucht. Jetzt brauche ich Jesus’ Hilfe. Ich möchte ein Soldat Christi werden.“
    Da sie ihm nicht richtig trauten, schickten sie nach Feger-der-Seelen, der überglücklich war, seinen früheren Kollegen wiederzusehen. Sie umarmten sich, und diese rührende Szene bestätigte den anderen, was ihnen bereits offenbart worden war: Der Neuankömmling war ein Bote Gottes, ausgeschickt, sie zu Satans Versteck zu führen. Sie nahmen ihn bei sich auf und tauften ihn Gehstock-der-Seele.
    „Wo steckt er?“, fragten ihn die Soldaten Christi nach der Taufe. „Wo ist er hin? Wo können wir ihn finden?“
    „Ihr werdet es nicht glauben“, antwortete Gehstock-der-Seele. „Drei Höllenreiter auf einem roten, einem schwarzen und einem goldenen Motorrad brachten ihn ins State House zum Herrscher.“
    „Denkt er, dass er sich dort verstecken kann?“, fragte einer nach.
    Sie wollten alle Straßen zum State House überwachen und ihn ergreifen, sobald er herauskam, nachdem er ohne jeden Zweifel den Herrscher vom rechten Weg abgebracht hatte. Wie damals, als Satan den Herrscher zwang, in Nachahmung Christi auf einem Esel zur All Saints Cathedral zu reiten. Doch mussten sie vorsichtig sein. Sie durften keine feindselige Neugier auf sich ziehen, die ihre Pläne zum Scheitern bringen könnte. Sie waren so entschlossen wie eh und je: Satan gefangen nehmen, ihn in den Straßen von Eldares zur Schau stellen und ihm schließlich den Prozess machen.

7
    A.G. erzählte eine leicht abweichende Geschichte über die Vorkommnisse in der Sell-Me-Death-Bar. Seiner Darstellung nach war der Herr der Krähen nicht betrunken vom Alkohol, sondern einfach überwältigt vom Anblick des Übels, das er auf das Land zukommen sah. Und wenn er auf das Gras am Straßenrand kotzte, so war das seine Art, um auszudrücken, dass das Land einer Reinigung bedurfte. Darüber hinaus hielt sich A.G. in seiner Erzählung mit Details über diese Episode zurück, und es gab Dinge, die er nicht erklären konnte. Wenn ihn einige Spielverderber, die nicht in der Lage waren, eine gute Geschichte zu erkennen, mit Fragen bedrängten – Was hatte der Herr der Krähen in einer billigen Bar verloren, in der Gift verkauft wird? –, antwortete er ziemlich geheimnisvoll: „Erinnert ihr euch an Jesus? An Mohammed? Sie lebten mitten unter den Armen.“
    Was er allerdings mit größerer Klarheit und Überzeugungskraft berichtete, war, wie die drei Motorradfahrer, von denen er einer war, bevor sie das

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