Herr der Krähen
gemeinsam in New York waren, gestattete mein Minister, der verblichene, ich meine der ehrenwerte Machokali, uns nie, dass wir einander näherkamen. Ich glaube mich zu erinnern, dass Sie damals feine, elegante Kleidung trugen. Was ist daraus geworden? Oder ist Ihnen zerknitterte lieber, weil Sie besser zum Geschäft passt? Ich will eines deutlich sagen: Wenn Sie uns alles, was Sie wissen, uneingeschränkt erklären, werden Sie nicht mit leeren Händen von uns gehen. Einen Moment noch. Wir sollten sicher sein, dass wir mit dem Richtigen reden, deshalb will ich Sie bitten – wie man das im Gericht macht –, Ihren Namen zu nennen. Sind Sie der Herr der Krähen?“
Wenn er bloß wüsste, worauf sie hinauswollten! Wenn er sich nur erinnern könnte, wie er hierhergekommen war! Wenn er bloß wüsste, was aus Nyawĩra geworden war! War sie am Leben, in Gefangenschaft oder frei? Wenn ich bloß … Ohne diese Gewissheit konnte alles, was er sagte, sie und ihn gefährden.
„Haben Sie die Frage des Herrschers nicht gehört?“, fragte Tajirika mit gespielter Verärgerung. „Der Herrscher hat Sie gefragt: Sind Sie der Herr der Krähen?“
Kamĩtĩ öffnete den Mund, um etwas sagen und fing an zu keuchen, als hätte er einen Asthmaanfall. Es kam jedoch nur ein einziges Wort aus seinem Mund: „Wenn!“ Was sie ihn auch fragten, er reagierte immer auf dieselbe Weise. Er versuchte, etwas zu sagen, brachte ein paar Zischlaute hervor und schließlich das Wort „wenn“.
Erschrocken sahen der Herrscher und Tajirika einander an und hatten denselben Gedanken. Jeder dachte an seinen eigenen Krankheitsanfall, der jedem Arzt außer dem Herrn der Krähen getrotzt hatte. Nun, so schien es, brauchte der Heiler selbst Heilung, und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie unbedingt alles über sein Wissen in Erfahrung bringen wollten. Sie waren frustriert und wussten nicht weiter. Sie versuchten es mit ein paar weiteren Fragen, aber seine Antwort war immer dieselbe.
„Seine Wörter stecken fest“, sagte der Herrscher.
„Was sollen wir tun?“, fragte Tajirika. „Wie befreien wir die gefangenen Worte aus seinem Mund?“
„Ach, kein Grund zur Beunruhigung“, erwiderte der Herrscher drohend. „Ich kann seinen Mund aufstemmen und mit den Händen seinen Wortkasten herausholen.“
Er rief die Soldaten herein, die den Herrn der Krähen zu ihm gebracht hatten, und befahl ihnen, den Mann fortzuschaffen.
9
Kahiga, Njoya und A.G. meldeten sich am nächsten Morgen im State House zum Dienst und wurden vor den Allmächtigen geführt. Njoya und Kahiga waren überrascht, den Herrscher ohne seine ständigen Berater Machokali und Sikiokuu vorzufinden. Den Platz zur Rechten des Herrschers schien Tajirika übernommen zu haben. Aber wie war Tajirika so schnell aufgestiegen? Durch Magie oder mächtige Mixturen? Der Herr der Krähen kann verheerend auf das Leben der Menschen einwirken, dachten beide. Die einen trägt seine Magie ein paar Stufen auf der Leiter nach oben, während er andere um eine oder zwei Sprossen herunterdrückt. Nicht dass sie Tajirikas Aufstieg begeisterte, schließlich hatten sie ihn gefoltert. Würde er deshalb Rache üben? Im Augenblick konnten sie nichts tun und mussten sich mit dem abfinden, was da kommen würde.
Ihr Befehl lautete, den Herrn der Krähen rund um die Uhr zu bewachen, Tag und Nacht. Es sollten stets zwei Wachen bei ihm in der Zelle sein und eine davor. Sie sollten die Ohren des Herrschers sein. Alles, was der Zauberer von sich gab, egal ob er schlief oder wach war, sollte ausschließlich an den Herrscher übermittelt und bei Strafe des Verlusts der eigenen Zunge weder untereinander noch mit anderen besprochen werden. Njoya und Kahiga sollten ihre Schicht in der Zelle beginnen, während A.G. sich vor der Tür zu postieren hatte.
Natürlich verriet ihnen der Herrscher weder, dass sich der Herr der Krähen an diesem Tag bereits vor ihnen in diesem Zimmer befunden hatte, noch, dass er an der Wortkrankheit litt, und deshalb sahen die Polizisten auch keine Schwierigkeiten auf sich zukommen.
Kahiga und Njoya waren sogar froh, als sie von ihrem Auftrag erfuhren, weil sie mit dem Herrn der Krähen reden wollten, um Buße zu tun und ihm zu versichern, dass sie nichts gegen ihn persönlich hätten. Sie waren lediglich die Boten und nicht in den Inhalt der Botschaft eingeweiht und hatten somit nur ihre Pflicht zu erfüllen. Wenn er Schwierigkeiten bekäme, durfte er seinen Zorn nicht gegen sie richten. Und wenn alles gut
Weitere Kostenlose Bücher