Herr der Krähen
würde nie auf die Idee kommen, dem amerikanischen Präsidenten zu sagen, was dieser gegen die wilden Demonstrationen unternehmen solle, die er selbst gesehen habe, als er jüngst in Washington ein Prayer Breakfast besucht habe. Er habe es satt, herumkommandiert zu werden. Sie hätten ihn aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um die sogenannte Krise zu beenden, und sobald er drohe, die einzige Sprache zu sprechen, die sein Volk verstehe, hätten sie ihm befohlen, das nicht zu tun. „Es ist doch Ihr Volk, das sagt: You can’t have your cake and eat it“, sprach er zu Botschafter Gemstone. Als er in der Vergangenheit Gewalt angewendet und ein paar tausend Leute mit vollem Wissen und Segen des Westens zum Schweigen gebracht habe, habe der Westen auch nicht davon geschwafelt, friedliche Mittel einzusetzen. Warum also jetzt?
„Das ist genau der Punkt, Eure Vortrefflichkeit“, erwiderte Botschafter Gemstone. „Die Umstände haben sich geändert, und wir sind der Meinung, dass es nun anderer Maßnahmen bedarf. Geben Sie Ihrem Volk etwas, das es glücklich macht. Gibt es bei Ihnen nicht das Sprichwort, dass man einem Affen das Baby stehlen kann, wenn man ihm zur Ablenkung Erdnüsse hinwirft?“
„Und was für Erdnüsse soll ich diesen Affen Ihrer Meinung nach hinwerfen?“, fragte der Herrscher sarkastisch.
„Als Erstes sollten Sie mit ihnen reden …“
„Um ihnen was, bitte schön, zu sagen?“
„Sprechen Sie die Sache mit dem verschwundenen Minister Machokali an. Er wurde in all ihren Reden erwähnt.“
„Und was soll ich über ihn sagen? Dass ich weiß, wo er ist?“
„Das liegt ganz bei Ihnen. Aber ich kann Ihnen mitteilen, dass Geheimdienstberichte aus aller Welt feststellen, dass er nirgendwo um politisches Asyl ersucht hat, wie Ihre Verlautbarung anzudeuten schien.“
Der französische Botschafter nickte zustimmend.
„Warum interessieren Sie sich eigentlich so für das Schicksal eines Ministers, der angeklagt ist, den Sturz meiner Regierung geplant zu haben?“
„Eure Vortrefflichkeit, es gibt keinerlei Beweise dafür.“
„Sie glauben also dem offiziellen Bericht nicht, den meine Regierung veröffentlicht hat?“
„Eure Vortrefflichkeit, warum sollten wir ihm glauben, wenn er von seinem politischen Gegner Sikiokuu erstellt wurde?“
„Woher wollen Sie wissen, dass der den Bericht geschrieben hat?“
„Eure Vortrefflichkeit, wir habe unsere Wege, Dinge in Erfahrung zu bringen“, antwortete Gemstone.
Der Herrscher hatte nicht vergessen, welche Demütigung es in New York gewesen war, als ihm die Abgesandten der Global Bank von Gerüchten über neue und besser organisierte Warteschlangen in seinem Land berichtet hatten, lange bevor sein eigener Geheimdienst in der Lage gewesen war zusammenzusetzen, was vor sich ging. Und jetzt tauchte dieser Botschafter auf und prahlte damit, wie gut er über die Staatsgeheimnisse anderer Nationen informiert war!
„Sie spionieren Ihre Freunde aus?“, fragte der Herrscher eisig.
Man erzählt sich, die Unterredung habe abrupt damit geendet, dass der Herrscher zu Gemstone sagte, er solle beim nächsten Mal besser zum Telefon greifen, ihm einen Brief schreiben oder den französischen Botschafter schicken, wenn er ihm etwas mitzuteilen habe. „Ist das alles, was Sie zu sagen haben?“, fragte Gemstone. Er erhob sich und ging, den französischen Botschafter im Schlepptau, hinaus, ohne eine Antwort abzuwarten.
„Die Arroganz der weißen Macht“, murmelte der Herrscher. „Warum sind sie so scharf darauf, dass ich mich in meinem Zustand den Massen präsentiere?“
Irgendwie begann ihn das Schweigen des französischen Botschafters zu beunruhigen. Während des Kalten Krieges hatte sich Frankreich im Namen des Westens immer militärisch in die afrikanischen Angelegenheiten eingemischt und ihm oft versichert, dass es ihm mit Truppen beistehen würde, sollte es einen Aufstand gegen ihn geben. Hatte Frankreich jetzt, da der Günstling der Amerikaner und Briten verschwunden war, einen eigenen Kandidaten im Sinn? Wen?
Er dachte daran, dass Gemstone recht hastig betont hatte, Monsieur Sartre habe keinerlei Verbindung zur Philosophie. Wo hatte er unlängst etwas über Frankreich, Philosophie und den aburĩrischen Staat gehört, fragte er sich und als es ihm einfiel, rief er Gouverneur Tajirika zu sich.
„Sag, welchen Philosophen hast du vor einiger Zeit hier in diesem Zimmer mir gegenüber erwähnt?“
„Einen Philosophen? Ich?“, fragte Tajirika etwas
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