Herr der Krähen
war Aburĩria, wie konnte es nach ihm eine Zukunft geben? Er dachte daran, was er zu Rachael gesagt hatte, bevor er ihre störrischen Augen in die Hölle geschickt hatte. Ja, ich habe ihr gesagt, dass ich ihre Zukunft zum Stillstand bringen, sie mitten im Lauf anhalten kann, sagte er sich und sah Tajirika mit wachsender Verwunderung an. Er hatte sich nicht geirrt, als er damals erkannte, dass ein Mann, der nur mit einem Kübel Scheiße ein ganzes Militärlager in seine Gewalt bringen konnte, außergewöhnlich begabt sein musste. Jetzt hatte er ihm zudem den Weg gewiesen, wie er die Orakel und Geister überlisten konnte, und ihn im Glauben bestärkt, dass er selbst der oberste Hexenmeister war.
In diesem Augenblick vollkommenen Vertrauens in seinen Ratgeber, erahnte er in Tajirikas Vorschlag und in seinem überzeugten Ton die Gefahr, die er darstellte. Ja, dieser Mann unheimlicher Erkenntnisse könnte sich eines Tages ermutigt fühlen, seine Autorität zu bedrohen. Doch er würde als Erster zuschlagen. Die Gefahr angehen, bevor es zu spät war. Dieser Leitsatz im Umgang mit seinen politischen Widersachern und Freunden hatte ihm immer geholfen.
Er hatte eine plötzliche Eingebung. Wie der Herr im Himmel eines Tages die Welt zur Verantwortung ziehen wird, würde er Aburĩria zur Verantwortung ziehen. Was er einst zu Rachael gesagt hatte, würde er nun zu Aburĩria sagen. Und was er Rachael angetan hatte, würde er Aburĩria antun und damit etwas leisten, was noch kein Herrscher vor ihm getan hatte: die Zukunft eines Landes anhalten oder gar abschaffen. Und kein anderer als Tajirika sollte sein Werkzeug sein. Er würde Tajirika mit einer weiteren Mission betrauen.
Sein Plan war die Einfachheit selbst. Er würde seinen treu ergebenen Minister, seinen vertrauten Ratgeber auf seine letzte Mission schicken, der Armee zu befehlen, ein Massaker zu veranstalten. Blut würde fließen. Und nach dem Massaker würde er einen Untersuchungsausschuss einsetzen – wenn nötig, überwacht von einigen Beobachtern aus Amerika und der Europäischen Union –, der schließlich seinem Verteidigungsminister die Schuld geben würde. Daraufhin würde er ihn öffentlich hinrichten lassen.
Er befahl Tajirika, die Motorradfahrer ins Fernsehen zu bringen, wie er es so wunderbar selbst vorgeschlagen habe. Sie sollten verkünden, all das Schlangestehen und Agitieren für ein Morgen müsse sofort aufhören, und wenn das Volk den Befehl ihrer Ahnen nicht befolge, würden sie den Herrscher zwingen, den Fortgang der Zeit anzuhalten. Das gesamte Land werde durch Zauberei in einem endlosen Augenblick erstarren, denn nach dem Herrscher gebe es kein Morgen. Dann bat er Tajirika als seinen Verteidigungsminister, den Streitkräften zu befehlen, vierundzwanzig Stunden nach Ablauf des Ultimatums jeden Widerstand niederzumähen.
Tajirika vernahm die letzten Einzelheiten des Auftrags und seine Gedanken begannen zu wandern. Das Gerede von einer angehaltenen Zukunft löste bei ihm die Erinnerung an das Museum der gefangenen Bewegung aus. War dieses ein Zeichen für Kommendes gewesen? Dass er eines Tages zum erwählten Werkzeug werden sollte, die Zukunft anzuhalten … ja, wessen Zukunft eigentlich?
Er schaute auf und sah das intensive Leuchten in den Augen des Herrschers, und was er in ihnen las, gefiel ihm nicht. Er reagierte instinktiv statt mit kühlem Verstand und nutzte, was gerade zur Hand war – in diesem Falle Worte.
„Mein Herr und Gebieter, ich bin lediglich Ihr Verteidigungsminister. Jeder weiß, dass Sie der Oberbefehlshaber sind, und wenn mir die Stabschefs und befehlshabenden Offiziere glauben sollen, wenn ich ihren Einsatz befehle, dann brauche ich einen schriftlichen und unterschriebenen Autoritätsbeweis, sowohl dafür, als auch für die Entlassung der maskierten Motorradfahrer, die auf ihre Hinrichtung warten. Damit sie im Fernsehen auftreten können, brauche ich das Siegel Ihres Büros, mein Herr und Gebieter, um meine Autorität zu stärken. Was die vier Motorradfahrer angeht, so sollte ich sie zuerst zu Ihnen bringen, damit sie, wenn sie im nationalen Fernsehen sprechen, von der Wärme der Begegnung mit Ihnen angespornt werden. Sie wissen, dass Ihr Handschlag eine Menge bedeutet“, fügte er mit Blick auf seine behandschuhte Rechte hinzu.
Das ist das Problem, wenn man es mit Feiglingen zu tun hat, dachte der Herrscher. Die haben keinerlei Rückgrat. Mit solchen wie Machokali oder Sikiokuu konnte man leichter fertig werden als mit
Weitere Kostenlose Bücher