Herr der Krähen
diesem bibbernden Gauner. Er verlieh ihm die erforderliche Autorität – ein Strick, der lang genug war, dass sich der feige, aber begabte Berater damit selbst erhängte.
7
Tajirika handelte nach seinem unfehlbaren Selbsterhaltungstrieb. Dank der neuen Autorität, mit der er schriftlich ausgestattet worden war, schickte er Wonderful Tumbo, um die vier maskierten Motorradfahrer aus der Todeszelle zu holen und direkt zu ihm in das Verteidigungsministerium zu bringen. Glücklicherweise waren Haare und Bärte noch vorhanden, als Wonderful Tumbo bei ihnen ankam, denn kein Wärter hatte es gewagt, die Masken der Geister zu trimmen. Einige Wärter knieten sogar vor den Geistern nieder und flehten sie an, sich bei ihren Ahnen für sie zu verwenden.
Als sie in Tajirikas Büro eintrafen, sanken die Geister selbst auf die Knie, weil ihnen eine Gestalt gegenübersaß, die ganz anders aussah als das Bild Tajirikas, das sie in Erinnerung hatten. Wonderful Tumbo, der ein alter Freund und Vertrauter Tajirikas war, erging es ebenso. Nur seiner jahrelangen Polizeiausbildung und Erfahrung war es zu verdanken, dass er nicht in Ohnmacht fiel.
Tajirika saß auf einem erhöhten Stuhl, jenem, den Sikiokuu sich in Nachahmung des Stuhls, auf dem der Herrscher bei Kabinettssitzungen saß, hatte anfertigen lassen. Er trug ein T-Shirt, kurze Hosen aus Löwenfell und war in einen Umhang aus dem Fell eines Stummelaffen gehüllt, der ihm bis zu den Füßen reichte. Den Handschuh, mit dem er gewöhnlich die rechte Hand bedeckte, hatte Tajirika abgelegt. Zur Verwunderung seiner Gäste waren sein linkes Bein und sein rechter Arm weiß, der linke Arm und das rechte Bein schwarz. Die Motorradfahrer sahen in ihm eine Gottheit. Wonderful Tumbo sagte laut und voller Überzeugung: „Er ist der Auserwählte, ein Mann, der von den Göttern bestimmt wurde.“
Die vier Geister überließen sich völlig der neuentdeckten Freude und Dankbarkeit über das zurückerlangte Leben und schworen, dass es nichts gebe, was sie nicht für ihren Retter tun würden. Aufmerksam lauschten sie jedem Wort darüber, was von ihnen erwartet wurde. Sie sollten unter ihrem Haar Waffen ins State House schmuggeln, wenn sie zum Treffen mit dem Herrscher gingen.
8
Aburĩria erfuhr die Nachricht aus Radio und Fernsehen. Auch die Zeitungen erschienen mit Sonderausgaben. Alle zeigten Bilder der behaarten Wesen. GEISTER ALS UNTERHÄNDLER DER MACHT, titelte eine Zeitung. EIN BILDSCHIRMSTREICH, behauptete eine andere. Keine Zeitung traute sich zu drucken, was im Fernsehen gesagt worden war, denn alle fürchteten die Heimtücke des Herrschers.
Mit ruhiger Stimme sagten die vier Geister, sie seien von den Toten, den Lebenden und den Ungeborenen gesandt worden, um der Nation mitzuteilen, dass der Herrscher und die offizielle Nationalhostess Yunique Immaculate McKenzie an diesem Morgen zu den Ahnen gerufen worden seien. Gerüchten über einen Staatsstreich sollte das Volk keinen Glauben schenken. Aburĩria unterscheide sich von den anderen Ländern Afrikas und der Dritten Welt. Dies hier sei kein Staatsstreich. Es handle sich um vorsätzlich geplantes SIV.
Der Herrscher müsse außerdem gewusst haben, dass es Zeit für ihn war abzutreten, denn er habe bereits vor einigen Wochen all seine Macht dem neuen Herrscher von Aburĩria überschrieben: Imperator Titus Flavius Vespasianus Whitehead.
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Für Tajirika war alles viel glatter gelaufen als damals, als er ein bewaffnetes Lager mit einem Kübel voller Urin und Scheiße in seine Gewalt gebracht hatte. Er hatte das Land in seine Gewalt gebracht mit ein paar Kugeln für den Herrscher. Wonderful Tumbo war es gelungen, die Loyalität der Oberbefehlshaber der Teilstreitkräfte zu sichern. Diese Leistung trug ihm die Beförderung zum Chef aller Augen, Ohren und Nasen des Imperialen Staates ein. Dankbar erinnerte sich Tumbo an den Tag, an dem ein Polizist, den er ausgebildet hatte, mit Dschinns gerungen hatte und ins State House befördert worden war.
Um die Kontinuität zu betonen, behielt der Imperator, von ein paar kleineren Veränderungen abgesehen, das Kabinett des Herrschers noch eine Weile bei. Kaniũrũ wurde entlassen und musste eine weitere Demütigung hinnehmen, weil Kanyori zur Gouverneurin der Central Bank ernannt wurde. Sikiokuu wurde ins Kabinett zurückberufen und zum Minister für Toiletten und Reinlichkeit an öffentlichen Plätzen ernannt. Njoya und Kahiga waren jetzt die offiziellen Scharfrichter des Imperators.
Die
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