Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
Vom Netzwerk:
sagen, er wisse sehr gut, dass es sich nicht um einen Kürbis handelt.«
    Mrs. Fletcher verdrehte die Augen. »Der Junge schiebt seine Behinderung vor, wann immer er sich irgendwo herauswinden möchte. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er einmal die Welt umschifft und sich dabei nur das Mitleid der Leute zunutze macht. Bittet man ihn hingegen um Hilfe, muss man fast Angst haben, dass er handgreiflich wird!«
    »Ich erinnere mich weder an einen Tanz noch an Kürbisse oder Rüben«, gestand Grady. »Das ist umso ärgerlicher, da ich Mrs. Fletcher gebeten habe, mich heute Abend zu begleiten.«
    Die Frau staunte nicht schlecht und warf ein Küchentuch nach ihm, das er jedoch auffing, bevor es seinen Kopf traf. Als sich seine Arthritis in den Fingerknochen bemerkbar machte, entglitten ihm ungewollt die Gesichtszüge. Er riss sich jedoch schnell zusammen und bedachte Kate mit einem entschuldigenden Blick.
    »Leider hat mich unsere gute Hausmutter zum Schweigen angehalten. Sie will nicht, dass uns das ganze Dorf eine unstandesgemäße Affäre andichtet.«
    »Oh, Sie Schuft! Hüten Sie Ihre Zunge, oder ich werfe den Kessel gleich hinterher!«
    Kate lachte laut; das Gekabbel der beiden zerstob ihre Müdigkeit vollends. In Gradys Ohren klang es, als rausche der Wind durch ein frühlingshaftes Blütenmeer.
    Die Heiterkeit flaute ab, als sich Mrs. Fletcher mit geröteten Wangen der Teezubereitung widmete und dabei etwas von alten Männern murmelte, die unlautere Behauptungen aufstellten. Grady massierte seine schmerzenden Finger, als Kate fragte: »Hat schon jemand nach Vater gesehen?«
    Grady nickte.
    »Wie geht es ihm?«
    Der alte Mann setzte sich aufrecht hin und starrte ins Feuer. »Kaum anders als gestern.«
    »Letzte Nacht war mir, als hörte ich ihn weinen, doch als ich nach dem Rechten sah, hatte er keine feuchten Augen. Muss wohl ein Traum gewesen sein.«
    »Die Tränen hätten ihm aber nicht geschadet«, entgegnete Grady, »und uns gezeigt, dass er bald zu sich kommt.«
    »Also«, sagte Kate trotzig, »mir ist egal, was Doktor Campbell meint. Dieser schrullige alte Flegel …«
    »Sprechen Sie nicht so über den armen Kerl«, unterbrach Mrs. Fletcher.
    »… weiß die halbe Zeit nicht, was er faselt. Ich glaube, Vater wird sich eines schönen Tages von selbst besinnen und diesen Laden hier auf Vordermann bringen, wie dereinst.«
    »Was soll denn das heißen?« Die Tagelöhnerin stemmte die Hände in die Hüften. »Wollen Sie andeuten, dass wir das Anwesen verwahrlosen lassen, während der Master krank im Bett liegt?«
    Kate nickte und lächelte dabei listig. »Das will ich.«
    »Junge Lady, Ihnen gehört der Hintern versohlt.«
    Grady kicherte. »Nehmen Sie die Drohung ernst. Auch mir hat sie schon eine Abreibung verpasst.«
    Diesmal war er nicht flink genug, um das Tuch abzufangen. Als die Frau ihm damit ins Gesicht schlug, ächzte er, und Kate nahm unter ausgelassenem Gelächter Reißaus. Mrs. Fletcher griff zum Besen und hängte sich an das Revers des Mädchens, das immer wieder verzückt kiekste. Dabei zuckte Grady, der das Treiben mit einem versonnenen Lächeln beobachtete, jedes Mal zusammen.
    Erhielt der Frohsinn an diesem Morgen auch Einhalt in der Küche, lag der Hausherr im Obergeschoss im Sterben. Dementsprechend unangemessen kam es den Bewohnern vor, obwohl sie alle wussten, dass sie der Trauer gelegentlich Einhalt gebieten mussten, um nicht den Verstand zu verlieren.
    Grady graute vor dem Tag, da das Lachen nur ein Geist sein sollte, der durch ein Haus bloßer Erinnerungen huschte.

    ***

    »Hallo.« Neil ließ die Kiste, die er gerade aus dem kleinen Lagerraum in den Laden hievte, beinahe fallen, als er die Stimme hörte. Zwar konnte er sie sofort zuordnen, doch erst der Geruch, der sich gleich darauf einstellte, bestätigte ihm, dass sie Tabitha Newman gehörte. Sein Herz tat einen Sprung, und Schmetterlinge mit kitzligen Flügeln flatterten in seinem Bauch. Nachdem er seine Last behutsam auf der Theke abgestellt hatte, schaute er in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und achtete darauf, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen.
    »Wer ist da?«
    »Tabitha, Dummchen.«
    Er gab sich den Anschein von Gelassenheit. »Woher soll ich das wissen? Genauso gut hättest du Mrs. Crowther sein können, die alte Wachtel.«
    »Ich denke, du wusstest genau, dass ich es bin.«
    »Glaub, was du willst.«
    »Hier, riech mal. Herrlich.«
    Er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was sie tat, und

Weitere Kostenlose Bücher