Herr der Moore
aussieht, rechnet er wohl damit, dass wir Frauen alles erledigen.«
Grady ließ sich auf seinem gewohnten Platz am Feuer nieder und winkte ab. »Zweifeln Sie nicht eine Sekunde daran, dass ich weiß, wer dazu verdonnert wird, diese verflixten Dinger heute Abend zum Fest zu schleppen. Wenn ich mich verhebe, können Sie etwas erleben.«
Kate verdrehte die Augen, und Mrs. Fletcher brummelte: »Schätze, wir sollten uns erkenntlich zeigen.«
»Sie sind doch sowieso schon fast fertig«, hielt Grady dagegen und unterdrückte ein Grinsen. »Außerdem wollte ich Ihnen nicht die Schau stehlen.«
Die Hintertür ging auf, und Neil stolperte mit vor Kälte rotem Gesicht herein. Er drückte sich eine lange, mit Erde verkrustete Rübe an die Brust. An seiner hageren Gestalt vorbei strömte eisige Luft herein; die Flammen im Ofen flackerten.
Grady krümmte sich. »Teufel auch. Machen Sie die verfluchte Tür zu, bevor wir uns alle eine saftige Erkältung zuziehen.«
Neil sagte nichts, deutete dem alten Mann jedoch an, dass er ungehalten war, ehe er die Tür mit dem Fuß zudrückte. Kate ließ von ihrem Kürbis ab, um ihren Bruder zu führen, doch er stieß sie mit einem leicht verärgerten Blick fort, während er die Rübe in einer Armbeuge wiegte. Als er zum Tisch ging, verbarg Kate ihre Entrüstung. Andererseits musste sie zugeben, dass ihr Bruder die Einrichtung des Hauses gut genug kannte, um sich allein zurechtzufinden, zumal er ihr dies schon tausendmal vorgebetet hatte. Trotzdem konnte sie sich nur schwerlich zurückhalten; sie fühlte sich stets gezwungen, ihm beizustehen, vielleicht aus Sorge, ihm möge etwas zustoßen, sodass sie gar keine Familie mehr hatte.
Neil ließ das Gemüse auf den Tisch fallen, dass Dreck abblätterte und die Kürbisse wackelten.
»Beachtlich, die Rübe«, lobte Grady halb ernst mit einem Augenzwinkern.
Neil zuckte mit den Schultern, was typisch für ihn war. Dem unbedarften Beobachter mochte er träge erscheinen beziehungsweise verdrießlich aufgrund seiner Behinderung, deretwegen er in sich gekehrt und gleichgültig anmutete, aber Kate kannte ihn natürlich. Sie hatte erlebt, wie er weinte, seine Wärme und Zuneigung erfahren. Alles andere war bloß eine Maske, mit der er sich vor den Tücken einer unfreundlichen Welt schützte. Er fand die Kraft zum Trotz, und dies – so schwierig es auch hinzunehmen war – durchschaute seine Schwester richtig.
»Sie muss genügen«, antwortete er auf Gradys Kommentar. Er streckte einen Arm aus und tastete den dreieckigen Augenausschnitt eines Kürbisses ab. »In jedem Fall wird sie leichter zu tragen sein als diese Gesellen hier.«
»Den Frauenzimmern ist es egal«, klagte Grady, »denn sie müssen nichts schleppen.«
»Ah, sie haben Sie also zum Träger auserkoren?«
»Eher zum Lastesel«, berichtigte der Bedienstete. Kate und Mrs. Fletcher kicherten, währen Neils Lächeln sichtlich erzwungen wirkte. Seine Schwester beobachtete ihn genau und versuchte wie üblich anhand seiner Miene, Gedanken zu lesen. Als er begann, den Tisch nach einem Messer abzusuchen, legte sie heimlich ihr eigenes in Reichweite. Kaum hatte sie die Hand weggezogen, bekam er es zu fassen und grinste überlegen. Sie registrierte die Regung wohl wissend, dass er außer sich geriete, wüsste er um ihre Hilfe. Manchmal konnte sie eben nicht widerstehen.
»Mrs. Fletcher meinte, Vater sei aufgewacht«, sagte Neil, während er in die Rübe stach, wobei seine Stimme keine Emotionen preisgab.
Kate nickte. »Ja, aber nur kurz. Bist du zu ihm gegangen?«
»Noch nicht. Vielleicht besuche ich ihn später. Er braucht wohl alle Ruhe, die er finden kann.«
Wieder nur Ausflüchte , dachte Kate regelrecht wütend, was sie beunruhigte. Warum zeigte er sich, falls er das Schlafzimmer in erster Linie aus Angst mied, auch jetzt noch widerwillig, obwohl ein Hoffnungsschimmer aufloderte?
»Er hatte bisher nichts außer Ruhe«, gab sie zu bedenken. »Es wird dich nicht umbringen, ihm Gesellschaft zu leisten.«
»Ich sagte doch, dass ich es tue, nur eben später.«
Grady stand auf und schnalzte mit der Zunge. »Ich sollte Ihnen vielleicht zur Hand gehen, falls Sie beide nichts weiter vom Zaun brechen möchten als einen Streit.« Er schüttelte den Kopf. »Ich sage Ihnen, wenn man nicht einmal mehr hier am Feuer entspannen kann …«
»Warten Sie nur, bis unsere junge Dame Sie zum Tanzen bringt, dann werden Sie sich erst recht nach Entspannung sehnen, wenn man Sie nicht gar nach Hause tragen
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