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Herr der Moore

Herr der Moore

Titel: Herr der Moore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kealan Patrick Burke
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Vernachlässigung von Patienten. All dies waren berechtigte Vorwürfe, die er jedoch geleugnet hatte.
    So war er verstoßen, auf die Straße gesetzt und schließlich in diese sprichwörtliche Wüste geschickt worden, wo der Wert eines Menschen vom Betrag auf seinem Bankkonto abhing oder auch der Anzahl der Fuchsschwänze, die über seinem Kamin hingen.
    Campbell fuhr mit der Hand durch den Nebel und knirschte mit den Zähnen, während eine einzelne Träne über seine Wange lief. Drecksäcke . Sein Freund hatte ihn verraten, und seine Arbeitgeber waren Gegenspieler geworden. Seine Gattin hatte vorhersehbar auf die Neuigkeit reagiert; für sie war der Betäubungsmittelmissbrauch Franks Wunsch geschuldet, seines Postens enthoben zu werden. Was ihn am Morphium reizte – die Welt wurde ihm durch die Droge erträglicher – und wie wunderbar es sich im Kampf gegen seine inneren Dämonen ausmachte, hatte sie nie verstanden … oder vielleicht doch. Dann war ihre Forderung, er solle damit aufhören, falls er sie nicht verlieren wolle, bloß ein weiterer mieser Trick gewesen, um sein Elend auszuweiten. Zumindest hatte sie ihn in dieses betrübliche Nirgendwo begleitet, nur um ihn prompt zu verlassen, auf dass er sich in tiefere Verzweiflung stürzte. Seitdem schien ihn jeder Versuch, diese Gemütslage abzustreifen, umso weiter hinabzuziehen.
    Jetzt war er wieder allein und hatte sich verrannt, zudem mit monströsen Kopfschmerzen, nasser Kleidung und trockenem Mund, während er versuchte, ein Haus wiederzufinden, das genau dies war und kein Zu hause. Dort – nein, nirgendwo herrschte Wärme, doch hier stehen zu bleiben und auf die Gemeinheit zu warten, die sich das Schicksal als Nächstes für ihn ausgedacht hatte, hätte er sich nicht verziehen.
    Vor ihm im Dunst bewegte sich etwas, und Campbell gab sich instinktiv einen Ruck. »Hallo?«
    Keine Antwort. Er hielt inne, strengte seine Augen an und stellte betreten fest, dass er versuchte, das Gewaber zu umschauen, als sei es ein fester Körper. Indes haftete die schwebende Feuchte wie eine zweite Haut an ihm und zwang ihn in ihrer Kälte zum Zittern. Er schalt sich dafür, keinen Whiskey übrig gelassen zu haben, weil er unsicher war, wie weit er bis zum Haus gehen musste. So langsam setzte die Witterung seinem Kreuz zu.
    Wie lange bin ich schon hier draußen?
    Mit einem Mal sehnte er jemanden herbei, der sich um ihn sorgte und nach ihm suchen würde, weil er zu Hause säumig blieb. Leider kannte er längst niemanden mehr, der so für ihn empfand. Der Gedanke war deprimierend und ließ ihn fast aufgeben. Dann aber regte sich wieder etwas, diesmal zu seiner Linken, sodass er sich dorthin orientierte. »Ist da jemand?« Immer noch Schweigen, doch jetzt hörte er leises Schlurfen. Campbell ging langsam weiter, wobei sein Schuh schmatzte und im Gras einsank. Er verdammte seine Dummheit und den bandagierten Mann gleich mit – wie hieß er noch gleich? Alles, was ihn in dieses lächerliche Kaff am Rande der Unwirtlichkeit gebracht hatte, war verachtenswert.
    Wohl nur ein Schaf.
    »Ist da wer?«
    Möglich war es, das sah er ein. Vielleicht handelte es sich um einen Dorfjungen, der sich bereits fürs Fest verkleidet hatte und jemanden erschrecken wollte. Zerzaust und ohne rechte Ahnung, wohin er sich wenden sollte, gab Campbell das perfekte Ziel für solche Schelmereien ab. Allerdings wollte er nicht mitspielen und freute sich diebisch, als er sich vorstellte, was er mit dem Bengel anstellen würde, so er ihn zu fassen bekam. Ob Kind oder nicht, ohne roten Hintern würde er nicht davonkommen.
    Der Nebel vor ihm bildete Wirbel.
    »Ich bin Doktor Campbell«, rief er im autoritären Ton, soweit es die Temperaturen und seine belegte Stimme ermöglichten. »Falls du mich zum Besten halten willst, werden deine Eltern davon erfahren.«
    So tatkräftig er begonnen hatte, so rasch drängten sich neue Zweifel auf. Zwar hatte er sich verirrt, doch sollte er wirklich auf Drohgebärden zurückgreifen, wo man ihn vielleicht gerade zu retten versuchte?
    Eine Gestalt schälte sich aus der Weiße, und nun erkannte er, dass es sich mitnichten um ein Schaf handelte. Er richtete sich auf. »Wer da?«
    »Ein neuer Bekannter«, hörte er.
    Campbell schluckte schmerzhaft; neuerlicher Durst flammte in seiner Kehle auf, während ihn der Gestank versengten Fleisches umwehte. Ein kurzer Angstschauer durchzuckte ihn. »Sie«, begann er, da hielt sein Gegenüber inne. Der Mann war weit genug entfernt, um sich

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