Herr der Nacht
nicht gekommen, um zu trinken«, sagte Asrharn. »Wißt ihr nicht, wer ich bin?«
»Es ist ohne Nutzen, irgend etwas zu wissen«, sagte der erste Wächter, »da alle Dinge unten vergehen, sich wandeln, verfallen und sterben, und alle Dinge hier oben sind unveränderlich.«
»Die Menschen wissen, wer ich bin«, sagte Asrharn.
»Die Menschen«, sagte der zweite Wächter. »Was sind sie, daß wir an ihrem Wissen interessiert sein sollten?«
Asrharn zog seinen Umhang fester um sich und ging an ihnen vorbei. Da sie sahen, daß er nicht die Absicht hatte, zu trinken, ließen sie die Köpfe wieder nach vorn fallen und schienen neben dem bleiernen Wasser des Ewigen Lebens zu schlafen.
Asrharn, der Prinz der Dämonen, einer der Herren der Nacht, ging durch diese zarte, kalte unwirkliche Gegend wie eine schwarze Wirklichkeit.
Er ging auf diese Berge zu, die niemals erreicht werden konnten, und nach vielen Tagen der Sterblichen kam er an einen riesigen karierten Fußboden, der sich von Horizont zu Horizont erstreckte. Und die Karos waren von zwei Farben, die man auf oder unter der Erde niemals gesehen hatte: die eine war die Farbe vollkommener Einsamkeit, die andere die Farbe vollständiger Gleichgültigkeit, und hier befanden sich einige der Götter. Einige gingen langsam umher, aber die meisten standen bewegungslos. Nicht ein Augenlid flackerte, nicht ein Glied zuckte, sie sprachen nicht, noch atmeten sie.
Sie hatten die Erscheinung von Menschen, oder eher die Erscheinung, die die Menschen am Anfang gehabt hatten, denn diese Götter hatten die Menschen geschaffen. In jenen Tagen, als die Erde flach war, konnten sich die Götter solche Überspanntheiten leisten. Aber wie zerbrechlich die Götter waren, wie ätherisch! Ihr Haar war von solch blassem Gold, daß es beinahe silbern war, ihr Fleisch war durchsichtig und zeigte, daß sie keine Knochen besaßen, nur das blasseste vom blassen violetten Blut, das ohne Arterien oder Venen in der Durchsichtigkeit schwamm. Ihre Augen waren polierte Spiegel, die nichts reflektierten. Wenn sie (was selten geschah), über irgendwelche erstaunlichen metaphysischen Offenbarungen in sich selbst in Erregung gerieten, flatterten hauchdünne Schmetterlinge aus ihren kristallenen Gewändern und lösten sich in der blaßblauen Luft auf wie Seifenblasen.
Als Asrharn zwischen sie trat, regten sich die Götter vage wie Gräser in einer leichten Brise.
Asrharn sagte: »Die Erde stirbt. Der Mensch, eure Schöpfung, stirbt. Habt ihr nicht davon gehört?«
Aber die Götter antworteten nicht, noch schauten sie ihn an, noch schienen sie ihn zu sehen.
Dann erzählte Asrharn ihnen, wie die Erde sich spaltete und brannte und die Menschen unter dem Stachel eines verzauberten, unaufhörlichen Hasses, der von Zerstörung lebte und davon immer kräftiger wurde, sich gegenseitig niedermetzelten. Er erzählte ihnen alles und sparte nicht mit Worten.
Aber die Götter antworteten nicht, noch schauten sie ihn an, noch schienen sie ihn zu sehen.
Da ging Asrharn zu einem einzelnen Gott, oder vielleicht einer Göttin, denn es war schwierig festzustellen, ob die Götter Geschlecht besaßen, ob eins oder mehrere oder überhaupt keins. Und Asrharn küßte den Gott auf die Lippen, und die Augenlider des Gottes flackerten, und Schmetterlinge stiegen von seinem Gewand auf.
»Die Menschen habt ihr geschaffen«, sagte Asrharn, »aber mich habt ihr nicht geschaffen, und ich möchte eine Antwort haben.«
Also sprach der Gott zu guter Letzt zu Asrharn, doch nicht vermittels der Stimme oder Zunge oder Sprache. Tatsächlich ist nicht bekannt, wie er sprach, aber sprechen tat er. Und er sagte folgendes: »Die Menschen bedeuten uns nichts, und die Erde bedeutet uns nichts. Der Mensch ist ein Fehler, den wir begingen. Selbst Götter sind berechtigt, einen Fehler zu begehen. Aber wir werden keinen weiteren begehen, indem wir ihn retten. Laß ihn von der Erde verschwinden, und die Erde mit ihnen. Du bist der Dämon, und die Menschen sind dein heißgeliebtes Spielzeug, wir aber sind über solche Nichtigkeiten hinaus. Wenn du wünschst, daß die Menschenrasse gerettet wird, dann mußt du sie retten, denn wir werden es nicht tun.«
Asrharn antwortete nicht, noch verlangte er eine weitere Silbe von den Göttern. Er starrte sie nur an, und wo sein Blick verweilte, schrumpften die Ränder ihrer kristallenen Gewänder wie Papier in Feuer. Aber mehr konnte Asrharn nicht tun, denn Götter sind Götter.
So kehrte Asrharn den
Weitere Kostenlose Bücher