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Herr der Nacht

Herr der Nacht

Titel: Herr der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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verwandelte sich Abneigung in ein wild knirschendes Ding. Das Mädchen, das des Geschwätzes ihrer Schwester überdrüssig war, nahm einen Dolch und stieß ihn ihr in die Brust; der Diener, den es nach seines Herrn Gütern gelüstete, kaufte Gift. Alle wurden von der Krankheit des Hasses befallen. Schließlich überzog der Prinz, den lächerliche Kleinigkeiten in Wut getrieben hatten, seines Bruders Land mit Krieg.
    Da kam eine neue Epoche über die Erde: die Zeit des Hasses.
    Stadt zog gegen Stadt, Königreich erhob die Waffen gegen Königreich. Der kleine Mord eines einzelnen Menschen durch einen anderen Menschen fand sehr schnell seine Fortsetzung in größerem Morden, wenn eine Nation der anderen die Kehle durchschnitt. Überall waren Blut und Feuer und das Aufeinanderschlagen von Stahl. Überall war die Luft erfüllt von lautem Wehgeschrei, Jammer und Verwünschungen.
    Der Same ist sehr klein; ein Baum wächst daraus hervor, wenn er von gutem Boden genährt wird. Qebbas Haß war ebenfalls sehr klein gewesen, aber er hatte sich als Katalysator in den fruchtbaren Boden versenkt, den die Menschheit für ihn bildete, und hatte sich dort vollgesaugt und war gewachsen.
    Nun bedeckte der Baum die ganze Welt mit seinem Schatten. Es hatte viele Jahre gedauert, aber Jahre waren für solch ein Wesen ohne Bedeutung. Solange es sich nähren konnte, konnte es nicht sterben, und es gab Rationen in Hülle und Fülle. Die Zeit war auf seiner Seite.
    Und die Werke des Hasses genügten noch nicht. Die Erde selbst, die diese Kämpfe auf ihrem Rücken zu tragen hatte, begann vor Bosheit sich zu winden und zu ächzen. Ihre Orte der Schönheit verwandelten sich in Schlachtfelder, Krähen ließen sich nieder auf den Leichen ihrer Länder, zwischen ihren verbrannten Wäldern und in den Ruinen aller großen Metropolen, die ihre Juwelen gewesen waren. Der Boden spaltete sich in Erdbeben, Berge spien Feuer, und die Meere kochten über wie Wasserkessel. Am Tag war das Gesicht der Sonne fahl, und der Mond des Nachts war rot. Die Pest erhob sich in ihren gelben und schwarzen Gewändern aus den Sümpfen, und die Hungersnot ging vor und hinter ihr her, vor Hunger an ihren eigenen Knöcheln nagend. Der Tod war überall, aber vielleicht brachte selbst er, der ein anderer jener Herren der Nacht war, vielleicht brachte selbst der Tod diese Ernte mit Mißbehagen ein, da seine Scheuern überfüllt waren.
    Die Menschen flehten zu ihren Göttern. Am Morgen erschlugen sie sich gegenseitig, am Abend, wenn sie eben vom Schlachtfeld kamen, schrien sie sich vor stummen Altären die Kehlen wund. So begannen sie sogar die Götter zu hassen und zerschlugen ihre Bildnisse und entweihten ihre Heiligtümer. »Es gibt keine Götter!« schrien sie. »Wer hat uns dann all dies angetan?« Im Licht der gespaltenen Berge, an den Ufern der wehklagenden Meere, sahen sie nicht den Schatten, der auf sie fiel, den Schatten vom Baum des Hasses, den sie genährt hatten. »Es ist der Urheber alles Bösen«, schrie eine Frau in einem Land, ein Mann in einem anderen, »der Herr der Nacht, der finstere Schmerzenbringer, der Adler-Geflügelte, der Unaussprechliche. Er hat dies getan.«
    Sie schrien es, wenn Türme fielen; wenn die Erde sich auftat und sie verschlang, würgten sie seinen Namen hervor. Sie fürchteten ihn nicht länger. Sie hatten andere Dinge zu fürchten.
    »Asrharn hat uns das angetan. Der Prinz der Dämonen will die Welt zerstören.«
    *
    Er war unschuldig. Es war Ironie, daß er, der Schöpfer schwarzer Taten, diesmal seine Hand im Spiel hatte, außer am allerersten Anfang und ohne es zu wissen.
    Asrharn war mit irgendeinem Sport oder Spiel der Unterwelt beschäftigt gewesen, irgend etwas, das ihn ein oder zwei Jahre lang von der Welt abgehalten hatte, vierhundert Jahre der Sterblichen oder mehr. Es war ein wunderschöner Junge, eine großartige Frau, ein anderer Sivesch, eine andere Zorayas, oder irgend jemand., den er selbst für sich geschaffen hatte, wie Ferashin, oder eine, die im Gegensatz zu Bisuneh eingewilligt hatte, und er seinerseits war ihrer nicht müde geworden dort unten, unter der Erde, in der wundersamen Stadt Druhim Vanaschta, wo er sie genommen haben mußte. Während er mit kühlem Fleisch beisammengelegen hatte, oder unter den schwarzen Bäumen seines Gartens spaziert war, oder einen Traum geträumt hatte, wie er einem Dämonenhirn vorbehalten ist, einen Traum, der zu fremdartig und zu groß war, als daß man ihn auch nur hätte erahnen

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