Herr der Schlangeninsel
kein Gramm Ehre im Leib.“
„Sie haben uns reingelegt“, knirschte
Nick durch die Zähne. „Null Mark. Ich habe es gleich gemerkt, als ich den
Koffer hob. Federleicht war er. Nicht mal Papierschnitzel haben sie reingetan.
Nicht mal das sind wir ihnen wert. Saubande!“
„Mir geht nur der Sinn nicht auf“,
meinte Edgar. „Auf diese Weise gewinnen sie doch nichts. Hätten sie in den
Buden gelauert und sich mit Totschlägern über uns hergemacht — dann wäre es
eine klare Taktik, eine Falle gewesen. Aber so? Ich nix verstehen.“
„Vielleicht waren sie da, aber die
Schnappmesser klemmten. Was weiß ich! So kriegen sie den Jade-Tiger jedenfalls
nicht zurück. Lieber verscherbeln wir ihn an diesen Lee Pa Li in Hongkong.
Diese Möglichkeit haben wir immer.“
Antonia saß im Fond und hatte vor
Enttäuschung blasse Ohrläppchen. Nichts war’s nun mit dem Geld für ihre
Aussteuer. Und ihren Job als Hotelgehilfin hatte sie vor einer Woche verloren —
wegen Unzuverlässigkeit. Jetzt mußte die 23jährige also ihrem Liebsten auf der
Tasche liegen. Aber wozu sonst — beim Kern der Oliven! — war der denn gut?
„Trotzdem“, sagte sie, „sollten wir im
Kaiserhof anrufen. Vielleicht lungern sie dort rum, die beiden Schnepfensöhne —
oder wie man hier sagt. Was meinst du, Nick?“
„Schon möglich, daß sie dort sind.“
„Bestimmt!“ sagte Edgar und wich einem
Motorrad-Raser aus, der mit selbstmörderischem Tempo aus einer Seitenstraße
kam. „Sie müssen dort auf einen Anruf warten, Nick, weil sonst der Kontakt
abbricht.“
„Klar“, nickte der Meisterdieb. „Ich
rufe an. Und wenn sie da sind, werde ich ihnen was flüstern.“
Edgars heller Opel, ein Vorjahrsmodell,
rollte zum Flughafen. Für das Trio war klar: Weg so schnell wie möglich! Ehe
Xiang-Beutezahn mit seiner ganzen Mannschaft anrückte. Mit der nächsten
Maschine wollten die drei nach Griechenland fliegen.
„Ich telefoniere“, sagte Nick, „bevor
wir in den Flieger steigen. Kurz vorher. Vielleicht haben wir Glück, und die
Maschine startet bald. Jetzt in der Urlaubszeit sollte ein Stundentakt möglich
sein — von hier nach Athen. Oder zu den Seychellen (Inselgruppe im Indischen
Ozean) .“
Sie erreichten den Flugplatz.
Während Nick und Antonia zum
Buchungsschalter gingen, stellte Edgar seinen Wagen auf den riesigen Parkplatz.
Hier würde niemand der Karre was antun. Wochenlang oder für Monate konnte sie
hier warten.
Das Trio hatte nicht viel Gepäck. Was
in Antonias unordentlicher Behausung zurückblieb, war keine Träne wert. Wegen
der Kündigung ihres Mietvertrags machte sich die Griechin wenig Sorgen. Das
konnte sie per Postkarte aus Griechenland machen.
Als Edgar in die Abflughalle kam, mußte
er eine Weile suchen, bevor er seine Komplizen im Gewimmel der Reisenden
entdeckte. Beide wirkten jetzt fröhlicher.
Mit der Buchung hatte es geklappt. In
Richtung Athen waren noch Plätze frei. Abflug in knapp einer Stunde. Von Athen
nach Dikti Sfakion auf der Insel Padoklion — das war dann ein Katzensprung.
Nick kannte sich aus.
„Und jetzt rufe ich an“, meinte er.
Sie fanden eine Telefonzelle, die nicht
von Menschen umlagert war.
Nick hielt die Tür mit dem Fuß offen,
während er sich die Rufnummer vom Hotel Kaiserhof aus dem Telefonbuch suchte.
Dann wählte er.
Antonia und Edgar standen vor dem
Glaskasten und konnten mithören.
Die Hotelzentrale meldete sich.
„Bitte, die Halle!“ verlangte er.
„Da muß ich Sie mit dem Empfang
verbinden“, meinte die Telefonistin und stellte durch.
Der Empfangschef sprach mit Akzent.
Nick merkte, daß es ein Landsmann war.
„Zwei Herren chinesischer Nationalität
sitzen bei Ihnen in der Halle“, behauptete Nick. „Die Herren Wu und Zhuo. Wie
kriege ich die ans Telefon?“
„Wir haben hier mehrere Tischapparate.
Ich schicke den Pagen hin. Die beiden Herren sehe ich. Wenn Sie sich einen
Moment gedulden...“
Es dauerte tatsächlich nicht lange.
Dann meldete sich Zhuo, Nick erkannte ihn an der Stimme. Auch vorhin im Postamt
hatte er diesen Mistkerl an der Strippe gehabt.
„Ich bin’s“, sagte Nick. „Und ich
staune, Ihr Himmelhunde seid tatsächlich da. Weshalb? Wollt ihr euch über mich
lustig machen? Was soll dieses alberne Spiel?“
„Spiel?“ Der Chinese Zhuo sprach ein
Deutsch mit niederländischer Klangfärbung und englischem Unterton. Foen Zhuo,
der Würger, war sprachbegabt, beherrschte auch Französisch, das bei ihm ein
bißchen italienisch klang, und
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