Herr der Welt
Kraft noch an Schnelligkeit messen konnten.
Alles legte mir also die Annahme nahe, daß es hier wäre, wohin der »Herr der Welt« sich zurückzog, wenn eine seiner wunderbaren Reisen zu Ende ging. Hier war der Schuppen für sein Automobil, der Hafen für sein Schiff, das Nest für seine Flugmaschine. Und jetzt lag die »Epouvante« ohne Bewegung auf dem Grunde dieses Talkessels.
Endlich konnte ich mir diese also näher ansehen, und es hatte den Anschein, als gedächte niemand mich daran zu hindern. Tatsächlich schien der Kapitän sich wegen meiner Anwesenheit jetzt ebensowenig zu beunruhigen, wie die ganze Zeit vorher. Seine beiden Begleiter gingen auf ihn zu. Alle drei betraten gleich darauf die schon erwähnte Grotte. Ich konnte also den Apparat betrachten… wenigstens von außen. Was seine innere Einrichtung betraf, würde ich wahrscheinlich nur auf Mutmaßungen beschränkt bleiben.
Außer der Luke meiner Kabine waren die übrigen Luken nämlich geschlossen. und ich versuchte vergeblich, sie zu öffnen. Alles in allem war es ja vielleicht interessanter, darüber klar zu werden, welchen Motor die »Epouvante« bei ihren vielfachen Verwandlungen benützte. Ich sprang zur Erde und hatte hier alle Muße, die erste umfassende Besichtigung vorzunehmen.
Der Apparat war von spindelartiger Gestalt, am Vorderteil schärfer als am Hinterteile, der Rumpf bestand aus Aluminium, die Flügel waren aus einem Materiale hergestellt, dessen Natur ich nicht zu bestimmen vermochte. Er ruhte auf vier Rädern von zwei Fuß Durchmesser, deren Felgen mit sehr dicken Pneumatiks versehen waren, die den sanften Lauf bei jeder Schnelligkeit gewährleisteten. Ihre Speichen verbreiterten sich zu länglichen Platten, und wenn die »Epouvante« sich auf oder unter dem Wasser befand, mußten diese ihre Fortbewegung beschleunigen helfen.
Die Räder bildeten aber nicht den hauptsächlichsten Motor. Dieser bestand vielmehr aus zwei Parsonschen Turbinen, die longitudinal zu beiden Seiten des Kiel angeordnet waren. Durch die Antriebsmaschine ungeheuer schnell gedreht, bewirkten sie die Fortbewegung dadurch, daß sie sich in das Wasser sozusagen einbohrten, und ich fragte mich, ob sie nicht auch zur Fortbewegung in der Luft dienen möchten.
Wenn sich der Apparat in der Luft schwebend erhielt und weiter flog, so bewirkten das jedenfalls seine großen, weit entfalteten Flügel, die in der Ruhelage wie Schiffsschwerte an seinen Seiten herunterhingen. Der Erfinder hatte hier also die Bauart »schwerer als die Luft« angewendet, eine Bauart, die es ihm ermöglichte, sich durch die Luft mit einer Geschwindigkeit zu bewegen, die vielleicht die der mächtigsten Vögel übertraf.
Was die Kraftquelle anging, die diese verschiedenen Mechanismen in Tätigkeit setzte, so konnte das, ich wiederhole es, nur die Elektrizität sein. Aus welcher Quelle schöpften aber die Akkumulatoren? Gab es irgendwo eine Erzeugungsstätte der elektrischen Energie, durch die sie geladen wurden?… Arbeiteten solche Dynamos vielleicht in einer der Höhlen des Talkessels?
Aus meiner Besichtigung ging also hervor, daß dieser Apparat mit Rädern, Turbinen und Flügeln ausgestattet war, ich wußte aber noch nichts von dem Mechanismus und der Kraft, die sie in Tätigkeit setzten. Doch was hätte mir die Entdeckung dieses Geheimnisses auch nützen können?… Ich hätte dann doch wenigstens frei sein müssen, und nach allem, was ich wußte – so wenig das auch war – würde mir der »Herr der Welt« die Freiheit niemals wiedergeben.
Nun blieb freilich noch die Möglichkeit übrig, einmal zu entfliehen. Würde sich eine Gelegenheit dazu aber jemals bieten?… Und wenn das nicht im Verlaufe der Fahrten der »Epouvante« geschah, sollte es der Fall sein, während sie in diesem Kessel lagerte?
Jedenfalls galt es mir zunächst die Frage zu lösen, wo dieser Kessel überhaupt läge. An welcher Stelle war das Luftschiff zur Erde niedergegangen? Hatten die Felsenwände überhaupt einen Ausgang nach der Umgebung?… Konnte man hier hinein nur mit Benützung eines Flugapparates gelangen?… In welchem Teile der Vereinigten Staaten waren wir zur Erde herabgekommen?… So schnell der Flug der »Epouvante« auch sein mochte, konnte sie, vorausgesetzt, daß ihr Aufstieg erst gestern erfolgt war, doch unmöglich Amerika und die Neue Welt verlassen und die Alte Welt erreicht haben. Wahrscheinlich war der im Laufe der Nacht von ihr zurückgelegte Weg doch nur auf einige hundert Lieues
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