Herr der Welt
und die Millionen annehmen sollen, die ihm dafür geboten worden waren?… Ja, das erklärte mir sein unbedingtes Vertrauen auf sich selbst, das in seinem ganzen Verhalten zutage trat. Und wie weit mochte vielleicht sein Ehrgeiz ihn verführen, wenn dieser, alle Grenzen überschreitend, etwa in Wahnsinn ausartete?
Eine halbe Stunde später war ich, ohne zu wissen wie, in vollständige Bewußtlosigkeit verfallen. Ich wiederhole hier, daß dieser Zustand jedenfalls die Folge eines kräftigen Schlafmittels gewesen sein dürfte. Ohne Zweifel wollte der Kapitän mich nicht erkennen lassen, welcher Richtung er folgte. Ich vermöchte also nicht zu sagen, ob der Luftsegler seinen Flug als solcher fortgesetzt hatte, ob er über ein Meer oder einen See hinweggefahren war oder die Landstraßen des amerikanischen Gebietes aufgesucht hatte, denn ich habe nicht die leiseste Erinnerung an das bewahrt, was sich in der Nacht vom 31. Juli zum 1. August ereignet haben mochte.
Wie würde sich dieses Abenteuer nun weiter gestalten, und vorzüglich – was mich betraf – wie würde es schließlich ausgehen?
Ich habe schon gesagt, daß die »Epouvante« in dem Augenblicke, wo ich aus dem seltsamen Schlafe erwachte, vollständig still zu liegen schien. Ja dieser Beziehung war wohl jeder Irrtum ausgeschlossen: welcher Art auch ihre Bewegung sein mochte, selbst wenn sie noch durch die Luft hin schwebte, ich hätte diese doch unbedingt bemerken müssen.
Beim Munterwerden befand ich mich in meiner Kabine, worin ich, ohne etwas davon zu wissen, ebenso eingeschlossen worden war, wie in der ersten Nacht, die ich an Bord der »Epouvante« auf dem Eriesee zugebracht hatte.
Für mich war die Hauptfrage die: ob es mir gestattet sein werde, jetzt, nach der Landung des Apparates, auf das Verdeck hinauszugehen.
Ich versuchte den Lukendeckel aufzuheben; er widerstand meinem Stoßen.
»Oho, sagte ich für mich, soll mir die Freiheit nicht eher gegeben werden, als bis die, Epouvante’ ihre Wasserfahrt oder ihren Flug wieder aufgenommen hat?«
Das waren ja die einzigen Verhältnisse, unter denen jeder Fluchtversuch ausgeschlossen erschien.
Gewiß begreift da jedermann meine Ungeduld, meine Unruhe, nicht zu wissen, wie lange dieser Aufenthalt auf festem Boden wohl dauern würde.
Ich sollte jedoch nicht länger als eine halbe Viertelstunde warten. Das Geräusch vom Wegziehen von Querstangen schlug mir ans Ohr. Der Lukendeckel wurde von draußen abgehoben. Licht und Luft strömten frei in meine Kabine.
Mit einem Sprunge befand ich mich auf dem Verdeck an meinem gewöhnlichen Platze.
In einem Augenblicke überflogen meine Blicke den ganzen Horizont.
Wie vermutet, lag die »Epouvante« auf der Erde, im Grunde eines Kessels, der im Umfange fünfzehn-bis achtzehnhundert Fuß messen mochte. Eine Lage gelblichen Kieses bedeckte überall den Grund, auf dem nicht ein einziger Grasbüschel grünte.
Der Talkessel hatte die Gestalt eines ziemlich regelmäßigen Ovals, dessen größerer Durchmesser von Norden nach Süden verlief. Über seine Felswände, seine Höhe und über die Natur und Anordnung seines Kammes kann ich nichts Näheres angeben. Über uns wälzten sich dichte Dunstmassen hin, die die Sonne noch nicht aufzulösen vermocht hatte. Einzelne besonders dichte Dunstsetzen hingen bis zu dem sandigen Grunde herunter. Jedenfalls waren wir noch in den ersten Morgenstunden und der Nebel würde wohl bald verschwinden.
Mir kam es vor, als herrschte im Innern des Kessels eine recht niedrige Temperatur, obgleich es heute der erste Tag des Monats August war. Ich schloß daraus, daß der Kessel in einem hochaufragenden Landesteile der Neuen Welt liegen müsse. Doch in welchem?… Es war ganz unmöglich, hiervon auch nur eine Mutmaßung zu haben. So schnell der Flug des Luftschiffes auch sein mochte, keinesfalls hätte es Zeit genug gehabt, über den Atlantischen oder den Großen Ozean hinwegzufliegen, denn seit unserer Abfahrt vom Niagarafalle waren doch höchstens zwölf Stunden verflossen.
Eben trat der Kapitän aus einer Vertiefung in der Gesteinswand, wahrscheinlich aus einer in den Fels an dessen Fuße eindringenden Grotte, deren Umgebung noch von Dunstwolken erfüllt war.
Hoch oben sah man durch die Nebeldecke zuweilen die Umrisse großer Vögel, deren heiserer Schrei die hier unten herrschende Stille unterbrach. Wer weiß, ob sie nicht aufgescheucht waren durch das Erscheinen dieses Ungeheuers mit riesengroßen Flügeln, mit dem sie sich weder an
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