Herr der zwei Welten
Meter Nachtspaziergang zu genießen.
Plötzlich setzte ihr Herzschlag für einen Moment aus. Julie blieb abrupt stehen und starrte in die dunkle Straße, in der ihr Wagen stand. Was war das? Julie kniff die Augen zusammen. Etwas Dunkles bewegte sich dort. Etwas, das schwärzer war als die Nacht. Rot glühende Augen starrten sie an. Julie begann zu zittern. Ihre Ohren nahmen ein Surren wahr und der Wind blies plötzlich heftiger. Julie rieb sich über die Augen. Angespannt blinzelte sie in die Dunkelheit. Doch da war nichts. Kein Monster, nichts vor dem sie sich fürchten musste. Dennoch hatte Julie plötzlich Angst. Ihr Herzschlag, nachdem er beschlossen hatte, wieder einzusetzen, klang laut in ihren Ohren. Wie ein eiskalter Schauer zog die Angst über ihre Haut. Ihre Hände waren plötzlich feucht, und sie spürte wie die Härchen auf ihren Unterarmen sich aufstellten. Aber was war los? Julie blickte noch mal aufmerksam in die Straße vor ihr. Es sah alles aus wie immer. Die Straßenlaternen, die hier zwar nicht ganz so hell leuchteten wie in der Hauptstraße, zeigten die Straße genau so, wie sie sein sollte. Da war niemand vor dem sie Angst haben musste. Trotzdem, obwohl Julie sich versuchte zu beruhigen, wollte es ihr einfach nicht gelingen. Ihr Wagen stand da, nur wenige Meter vor ihr, und doch konnte sie sich nicht dazu aufraffen, diese paar Schritte zu gehen. Etwas hinderte sie daran auch nur einen einzigen Schritt in diese, doch so friedlich aussehende Straße zu setzen. Verflucht! Sie brauchte doch ihren Wagen! Aber ganz egal, wie deutlich sie sich einredete, dass dort nichts sei, vor dem sie Angst haben musste, sie konnte nicht weiter gehen. Die Angst blieb und sie wurde nur noch stärker!
Julie hastete herum und rannte wieder zur Hauptstraße. In diesem Moment kam ein Taxi und sie hielt es an. Immer noch außer Atem sprang sie rein. Sie spürte, wie der Taxifahrer sie im Spiegel beobachtete.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“
Der Taxifahrer klang wirklich besorgt. Julie konnte nur den Kopf schütteln. Dann nahm sie sich zusammen.
„Alles bestens. Ich, ich habe den Bus verpasst!“ dann nannte sie ihm ihre Adresse.
Julie fluchte innerlich. Jetzt musste sie morgen eine Stunde früher aufstehen, weil sie erst den Wagen holen musste. Als Alternative blieb ihr nur, ganz mit der Öffentlichen zur Arbeit zu fahren. Sie schüttelte den Kopf. Das kam gar nicht infrage! Was hatte sie nur getrieben? Warum, verdammt, war sie nicht zu ihrem Wagen gegangen und gemütlich nach Hause gefahren? Da war doch nichts gewesen, rein gar nichts! Verflucht noch mal! Drehte sie jetzt durch?
Auch nachdem sie zuhause war, kam sie einfach nicht zur Ruhe. Immer wieder musste sie darüber nachdenken, was sie daran gehindert hatte ihr Auto zu holen. Julie kannte das Gefühl, dass irgendetwas tief in ihr sie vor Gefahren warnte. Manchmal war es als könnte sie die Gefahr wirklich körperlich spüren. Schon oft hatte sie auf ihre innere Stimme gehört. Aber diesmal war es anders. Da war nichts gewesen. Und auch ihr Gefühl war ein anderes gewesen. So, als würde sich direkt vor ihr der Schlund der Hölle auftun. So ein Quatsch! Unruhig lief sie die wenigen Quadratmeter ihrer Wohnung ab und blieb mal wieder vor dem Spiegel, der in ihrem Flur den größten Teil der Wand einnahm, stehen. Ihre Hände strichen beinahe liebevoll über das glatte Glas des Spiegels. Diesen Spiegel hatte sie von ihrem Vater bekommen, ein paar Wochen zuvor, ehe er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Das war schon so lange her und trotzdem hatte sie manchmal noch das Gefühl, ihr Vater könnte sie hören. Vor allem, wenn sie diesen Spiegel betrachtete. Der Spiegel gab ihr ein Gefühl der Nähe und zumindest jetzt wirkte er beruhigend. Sie verfluchte noch einmal ihre blankliegenden Nerven, warf ihrem Spiegelbild, oder vielleicht auch ihrem Vater, einen Luftkuss zu und beschloss sich nun doch noch ein Glas Wein zu genehmigen. Zwar war es schon sehr spät und der Wecker würde sie nach viel zu kurzem Schlaf wieder hochjagen, aber darauf kam es jetzt auch nicht mehr an. Obwohl Julie alles tat, um sich noch weiter zu entspannen, blieb ihre Nacht doch ziemlich unruhig. Erst brauchte sie lange, um einzuschlafen und dann wachte sie auch noch ein paar Mal in der Nacht auf. Als sie am nächsten Morgen in die Firma fuhr, fühlte sie sich mies und zerschlagen.
*
„Hey, kleine Schwester!" klang Martinas Stimme an ihr Ohr. „Hör zu Kleine. Detlef ist heute Abend
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