Herr der zwei Welten
zu bewegen. Wieder spürte sie, wie ihre Knie ganz weich wurden.
Oh Gott, bitte lass diesen Tanz nie enden! Betete sie stumm. Julie erschrak. Sie hatte diesen Satz nicht nur gedacht; sie hatte ihn laut ausgesprochen! Ihr Kopf fuhr hoch. Hatte er es gehört? Doch dann beruhigte sie sich wieder; die Musik war schließlich so laut, dass man Schwierigkeiten hatte, sein eigenes Wort zu verstehen. Nein, er hatte sie sicherlich nicht verstanden. Dennoch lächelte er sie zärtlich an. Dieses Lächeln traf ihr Herz- genau mitten drin!
Plötzlich spürte sie, wie sein Kopf auf ihrer Schulter ruhte. Sie fühlte seinen Atem an der zarten Seite ihres Halses. Gleich würde er sie küssen! Sie zitterte vor Erwartung. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, dass eine einzige zarte Berührung solch starke Gefühle hervorrufen könnte! Doch da hatte er seinen Kopf schon wieder gehoben. Schade- warum versuchte er es nicht? Vielleicht mochte er sie doch nicht genug? Schon allein der Gedanke tat weh! Doch sein Blick suchte den ihren. Julie hätte in diesen Augen versinken können!
„Ich muss jetzt gehen! – Es tut mir leid. – Wie schon so lange nicht mehr!- Tschau Bella Juliea!“
Julie war entsetzt! Er war verschwunden, noch ehe sie etwas erwidern konnte. Wo war er so schnell hin? Sie starrte auf die Stelle vor ihr, an welcher er doch noch vor einer Sekunde gestanden hatte. Jetzt war sie leer! Nein! Schrie alles in ihr! So durfte das doch nicht enden! Ganz gleich, wie kurz sie ihn erst kannte! Sie hatte sich verliebt! Wie Schuppen fiel es von ihren Augen.
„Hey Traumsusi! Willst du hier Wurzeln schlagen? Du wirst schon beobachtet. Ausruhen solltest du dich wirklich an der Bar. Wo ist denn Eugeñio“?
Julie schüttelte den Kopf und blinzelte ihre Schwester verwirrt an.
„Er ist gegangen. Gerade eben.“
„Und hat dich einfach so stehen gelassen? Hätte ich gar nicht gedacht. Er machte so einen sympathischen Eindruck.“ Tina sah sie ruhig an.
„Er hat dir gefallen?“ fragte sie dann, währenddessen sie Julie von der Tanzfläche zog. „Ich habe es bemerkt. Er sah wirklich verdammt gut aus- zugegeben. Aber irgendwie fremdartig- vielleicht sogar etwas- unheimlich?! – Ach Quatsch- vergiss es!“
Julie starrte zu Boden. „Tina, ich glaube, ich liebe ihn. Ich habe niemals einen Mann wie ihn kennengelernt!“
Jetzt wurde Tinas Blick wirklich skeptisch. Julie sah irgendwie die unausgesprochene Frage in ihrem zweifelnden Blick: Ist etwa der frühe Tod unserer Eltern Schuld daran?
Normalerweise hätte sie das wütend gemacht, aber nicht heute.
„Das kannst du doch nicht ernst meinen?! Du hast ihn doch gerade erst kennengelernt! Man Julie, nimm dich mal zusammen!“
Julie musste ihr Recht geben, wenigstens im Stillen. Trotzdem wusste sie, von dem Moment an, als er sagte, dass er gehen würde, dass es genau so war! Sie hatte sich tatsächlich, innerhalb einiger weniger Stunden hoffnungslos verliebt! Sie konnte ihn noch immer vor sich sehen. Seine Augen. Sein Lächeln. Sein Gesicht. Es hatte eine Traurigkeit in seinen Augen gelegen, als er sich verabschiedete, die so unsagbar tief gewesen war. Niemals hatte Julie so eine tiefe Trauer in den Augen eines Menschen gesehen. Sie konnte es sich nicht erklären, und das machte alles noch schlimmer. Dieser Mann war etwas ganz Besonderes! Ihr Geist, ihr Körper, alles an ihr rief seinen Namen, so als wären sie schon seit Ewigkeiten ein Paar. Jetzt erst bemerkte sie, dass sie von Tina noch immer beobachtet wurde. Aber sie konnte ihr auch keine Erklärung geben. Sie wusste ja selber keine!
„Vielleicht ist das die berühmte Liebe auf den ersten Blick.“ Sagte sie nur und ließ es auf sich beruhen. Sie wollte sich nicht länger mit ihrer Schwester darüber unterhalten. Sie musste erst selber mit diesen unerklärlichen Gefühlen klarkommen. Seltsam, dachte sie, als sie heute mit Tina hier hergekommen war, hatte sie gelitten. Zwar nicht wegen Mark, aber doch wegen ihrer eigenen Dummheit, sich von ihm verarschen zu lassen. Jetzt litt sie wegen ihm. Trotzdem hatten diese beiden Gefühle nichts miteinander zu tun. Dieses Gefühl war anders, ganz anders! Es war nicht diese ohnmächtige Wut, sondern es war ein Gefühl, als fehlte ihr etwas. Etwas, ohne das kein Mensch auf der Welt leben konnte. Sie fühlte sich leer. Allein und einsam.
*
Es hatte sich nichts geändert. Es war einige Tage her, genug Zeit, um sich zu sagen, dass so etwas nicht sein konnte. Sie konnte sich nicht
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