Herr der zwei Welten
zukommen lassen und sie hatte sich dazu entschlossen, mit ihm auszugehen. Nun stand sie vor ihrem Ankleidespiegel und fragte sich, während sie sorgfältig ihr Make-up überprüfte, ob er nun an ihr als Frau interessiert war, oder ob sein Interesse eher der gehobenen Stellung galt, die sie in der Firma innehatte. Obwohl Julie wirklich eine bewundernswerte, hübsche junge Frau war, die es nicht nötig hatte, sich hinter ihrer Stellung zu verstecken, war ihr Selbstwertgefühl doch angekratzt. Nicht zuletzt war da wohl die unglückliche Liebe zu einem Mann schuld, dessen Zuneigung nicht reichte, um mit ihr zusammen sein zu wollen. Mit einem schiefen Grinsen wischte sie diesen Gedanken energisch beiseite. Nein, Steve wollte sicher nicht durch sie in der Firma aufsteigen!
Wenig später klingelte es an der Tür. Julie warf noch einmal einen kurzen prüfenden Blick in ihren Spiegel, warf ihrem Konterfei eine Kusshand zu und öffnete die Tür. Steve stand, mit einem riesigen Strauß roter Rosen davor, und sein Blick zeigte Anerkennung.
„Sie sehen einfach umwerfend aus, Fräulein Neumann!“ gestand er überwältigt.
Julie lächelte. „Wollen wir nicht, wenigstens für heute Abend, zum Du übergehen?“ fragte sie und nahm ihm den Blumenstrauß aus den Händen. Während sie die Blumen in eine Vase stellte, beobachtete sie ihren heutigen Begleiter. Er sah nicht schlecht aus. Vielleicht etwas zu groß geraten. Er war bestimmt größer als einmeterneunzig. Aber auf diese Weise konnte sie wenigsten ihre Pumps, mit 90 Millimeter Absatz tragen und würde trotzdem noch zu ihm aufschauen müssen.
Steve war blond und hatte, was ziemlich selten war, braune Augen. Er trug einen schmalen Oberlippenbart, der ihn etwas älter machte, als er wirklich war. Julie überlegte. Was hatte in seiner Akte gestanden? Sechsundzwanzig.
Kurze Zeit später angelte sie nach ihrer Tasche, steckte den Schlüssel ein und hakte sich bei ihm unter.
Sie gingen ins Kino, danach lud er sie in ein teures Restaurant ein und führte sie zum Tanzen aus. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben, ihr zu imponieren. Trotzdem machte sich, als der Morgen graute, Müdigkeit bemerkbar. Doch obwohl der Abend sehr geschmackvoll verlaufen war, Julie hatte sich wirklich amüsiert, gestattete sie ihm nicht, sie auch nur auf einen letzten Drink in ihre Wohnung zu begleiten. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und sagte einfach:
„Dann bis Montag.- Danke für den schönen Abend.“ und ließ ihn einfach stehen.
Steve wandte sich enttäuscht zum Gehen. Julie schloss die Tür. Vielleicht etwas zu hektisch, dachte sie. Geradeso als hätte sie Angst, er könnte es sich anders überlegen und noch mal zurück kommen. Warum hatte sie ihn auch nicht kurz hereingebeten? Was wäre dabei gewesen, wenn sie zusammen noch einen letzten Drink genommen hätten, anstatt ihn einfach so brüsk abzuservieren? Wann würde sie sich endlich so benehmen, wie jede andere Frau in ihrem Alter?
*
Wieder läutete das Telefon. Julie seufzte. Sie hatte sich darauf gefreut, den Abend mit sich allein auf ihrer Couch, vor dem Fernseher zu verbringen. Jetzt vermutete sie, war am anderen Ende der Leitung Tina, oder was noch schlimmer wäre: Mark. Das würde das Ende ihrer gewollten Einsamkeit bedeuten. Doch das Telefon war nicht zum Aufgeben zu bewegen. Es klingelte und klingelte, und auch den Gedanken, einfach das Kabel herauszuziehen, so verlockend er auch war, verwarf sie wieder. Seufzend nahm sie den Hörer ab. Wieder einmal hatte ihre Neugier, verflucht sollte sie sein, gegen ihr Ruhebedürfnis gesiegt.
Doch es war nicht Tina, auch nicht Steve.
„Hey Puppi!" meldete sich eine fröhliche Stimme, die sie nur zu gut kannte.
„Ich bin wieder zurück und da dachte ich natürlich gleich daran, dass wir uns mal wiedersehen müssen. Was hältst du davon? Kino?“
„Hallo Ilonka. Schön, dass du wieder da bist. Wie war dein Urlaub? – Na gut, “ lachte Julie, „Ok, was spielen sie denn? Ich war zwar erst letzte Woche im Kino, mit Mark- aber mit dir gehe ich natürlich wieder hin. Keine Frage.“
Julie machte ein V-Zeichen mit Zeige-und Mittelfinger und gab einen stummen Kuss darauf. Irgendwie war dieses alberne Freundschaftszeichen die ganzen Jahre über geblieben.
„Ach, mit Steve hast du sicher nur so ´n blöden Film gesehen. Ich will in "Vampire von Brooklyn". Du weißt schon, den mit Eddy Murphy. Bringen grade ´ne Neuauflage davon. Und du
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