Herr der zwei Welten
Lippen. Jetzt sah sie ihn. Ein erstaunter Blick trat in ihre Augen.
„OH- entschuldigen Sie, ich habe sie nicht gesehen.“ sagte sie und wollte in eine andere Richtung verschwinden. Doch er stellte sich ihr in den Weg. Sein Blick versagte ihr jedes weitere Wort.
„Komm!“ befahl er. Das Mädchen gehorchte. Doch sie spürte die Angst. Aber sie war unfähig eine andere Entscheidung zu treffen, als ihm zu folgen. Er führte sie weiter fort, fort von den Anderen. Abrupt blieb er stehen und wandte ihr sein Gesicht wieder zu. Dieses Gesicht war nicht weiter menschlich. Rot unterlaufene Augen starrten sie begierig an. Seine Augen, die Augen eines Wolfes. Blutgierig und wild! Er knurrte sie an. Leise, verheißungsvoll. Sie wollte schreien, doch jeder Laut blieb in der Kehle stecken. Gierig zog er die Lippen nach oben. Zwei weiße, spitze Zähne lechzten danach, ihr Fleisch zu zerreißen. Er breitete die Arme aus. Schwarzen Flügeln gleich, legten sie sich um das Mädchen. Zogen sie zu sich heran. Ein Schauer der Ekstase lief durch seine dunklen Blutbahnen. Er schlug seine Zähne in ihren weichen Hals.
Oh, wie köstlich! Das Blut lief ihm die Kehle hinunter, gab ihm Kraft! Er schmeckte ihr Blut, ihre Angst. Er ließ von ihr ab, noch ehe ihr Herz den letzten Schlag tat. Achtlos warf er sie zu Boden und blickte sich um. Ja, vielleicht sollte er mit diesem Opfer heute zufrieden sein. Er wandte sich ab. Sekunden später war er verschwunden. Nur noch der blutleere Körper des siebzehnjährigen Mädchens zeugte von seiner Existenz. Der Existenz des Bösen!
*
Ein Jahr war vergangen, seit Julie Eugeñio zum letzten Male getroffen hatte. All ihre Bemühungen ihn wiederzusehen, waren fruchtlos geblieben. Schließlich hatte sie es aufgegeben, an diese Beziehung zu glauben. Stattdessen hatte sie sich in die Arbeit gestürzt, wie niemals zuvor. Die Firma, in der Julie beschäftigt war, hatte sich verändert. Aus der ehemaligen Maklerfirma, die fremde Häuser und Grundstücke an genauso fremde Kunden verkaufte, war ein Unternehmen geworden, welches jetzt selbst Ein-und Mehrfamilienhäuser aufkaufte, umbaute, erneuerte und ausbaute. Die fertigen Projekte wurden dann wieder an noch besser zahlende Kunden verkauft.
All das war Julie gelegen gekommen, denn da hatte sie ihre ganze Energie reinstecken können, und es war ihr kaum Zeit geblieben, um einem verlorenen Traum hinterher zu jagen, der vermutlich sowieso niemals eine echte Chance gehabt hatte.
Aber in ihrem Beruf hatten sich all die Mühe und der Arbeitsaufwand gelohnt. Sie war mehrere Stufen hinauf geklettert. Jetzt bekam sie selbst die großen Aufträge. Leitete An-und Verkauf der Immobilie, genau wie deren Umbau. Es machte ihr Spaß, die Aufträge bis zum Schluss selbst zu überwachen und auch der nahe Kontakt mit den Kunden war genau nach ihrem Geschmack. Sie hatte ein Gespür dafür entwickelt, geeignete Kunden ausfindig zu machen und sie wusste genau, wie sie sich ihnen gegenüber zu verhalten hatte. Manchmal war es besser, einfach passiv im Hintergrund zu bleiben, während die Kunden sich ihr zukünftiges Eigenheim ansahen, ein andermal wiederum verlangten die Kunden geradezu nach Erläuterungen und sie spielte die wissende Führerin. Natürlich hatte sich auch Julies Verdienst mehr als verdoppelt und sie begann von einem eigenen kleinen Häuschen zu träumen. Eines Tages, das wusste sie genau, wäre sie selbst in der Lage, sich ein so schönes Haus zu kaufen und darauf lohnte es sich hinzuarbeiten. Aber die Firma hatte sich nicht nur vergrößert, sondern sie hatte natürlich auch ihren Wirkungskreis vervielfältigt. Nicht nur in ganz Deutschland gehörten ihnen jetzt Immobilien, sondern auch in Spanien, Frankreich und in der Türkei hatten sie ein paar kleine Ferienhäuser zu verkaufen. Es kam vor, dass Julie manchmal nun wochenlang von zuhause fort war, um den Umbau eines dieser Häuser zu überwachen. Die Arbeit machte ihr Spaß, und so hatte sie auch die Vorfälle vom Campingplatz beinahe vergessen. Und obwohl auch Eugeñio in weite Ferne gerückt war und sie mehrere hoffnungsvolle Männerbekanntschaften gemacht hatte, hatte sie ihre Schlafzimmertür noch für niemanden geöffnet.
Vor einigen Wochen hatte ihr Chef einen jungen Mann eingestellt, der sich bald an Julie interessiert zeigte. Obwohl sie sich nicht im Klaren über seine eigentlichen Interessen war, fand sie den jungen Mann sympathisch. In der letzten Woche hatte er ihr eine nahezu förmliche Einladung
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