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Herr der zwei Welten

Herr der zwei Welten

Titel: Herr der zwei Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sibylle Meyer
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weißt doch: Ich stehe auf Vampire!“
    „Und auf Eddy Murphy.“ ergänzte Julie.
    Natürlich sagte sie zu. Ilonka war Julies beste Freundin seit … ach eben seit langer Zeit. Seit sie Kinder waren. Sie beide, so verschieden wie Sandale und Stiefel, aber dennoch immer untrennbar.
    Einige Stunden später.
    Ilonka gab Julie einen fast schon vornehm wirkenden Kuss auf die Stirn.
    „Hey Puppi!“
    Julie besah sich ihre Freundin kurz. Mit ihren blonden, hochtoupierten Haaren, die Schläfen ausrasiert, rotem Lippenstift und langen, schwarz getuschten Wimpern, sah sie aus wie eine Mischung aus Vamp und Glamourgirl.-
    Die beiden Frauen begaben sich, nachdem sie in einem extravaganten Weinlokal noch etwas getrunken hatten, ins Kino. Julie wunderte sich immer wieder über Ilonkas Vorliebe für Eddy Murphy. Eigentlich hätte man ihr eher Schauspieler wie Mel Gibson zugetraut.
    Doch kaum saßen sie, sie hatten sich für eine der mittleren Reihen entschieden, trat Ilonkas zweite Sucht zutage. Denn, obwohl sie eine nahezu vollkommene Figur besaß, hatte sie wohl in ihrem Leben noch keinen einzigen Film gesehen, ohne die Süßwarenfabrik reicher zu machen. Nur dass ihr immer dann erst der Gedanke daran kam, etwas zum Naschen zu kaufen, wenn sie bereits saßen. Julie hatte es kommen sehen und natürlich hätte sie gleich was kaufen können, aber dann wäre es eben kein Kinotag mit Ilonka geworden. Jedenfalls kein normaler. Julie verkniff sich ein Lachen und nickte ihrer Freundin nur zu, als diese verkündete:
    „Bleib einfach sitzen, Puppi. Ich hol uns nur mal eben was zu knabbern.“
    Ilonka musste warten, denn die Schlange der Leute, die ebenfalls noch etwas haben wollten, war ziemlich lang. Dann, endlich war sie an der Reihe. Sie ließ sich zwei große Becher mit Popcorn und zwei Cola geben. Julie würde ihre große Portion Popcorn wohl nicht schaffen, dachte Ilonka, aber das würde ihr dann wieder zugutekommen. Ilonka lächelte in sich hinein. Als sie sich umdrehte, um vom Tresen wegzukommen, stieß sie, in einer hektischen Bewegung mit einem jungen Mann zusammen. Das Popcorn verstreute sich auf dem Boden. Einige der Flocken blieben in ihrem Ausschnitt hängen. Ilonka fluchte. Obwohl sie sich durchaus im Klaren war, dass die Schuld an diesem Zusammenstoß allein ihr galt, schrie sie den verdutzt dastehenden Mann an:
    „Können Sie denn nicht aufpassen?“ irgendwie frei nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
    So war sie nun mal. Schon auf der Oberschule hatte sie, zumindest bei kleineren Malheuren, immer versucht den Schwarzen Peter jemand anderem in die Schuhe zu schieben. Doch diesmal hatte sie wirklich Glück. Der junge Mann blieb freundlich.
    „Warten Sie, Lady!“ rief er. „Warum denn gleich so böse? Es ist doch gar nichts weiter passiert.“
    Er wandte sich der Verkäuferin, die jetzt ein beinahe anzügliches Grinsen aufgesetzt hatte, zu. „Geben Sie der jungen Dame doch noch mal zwei Becher davon, – keine Widerrede, ich bezahle das natürlich.“
    Sie hatte gar nicht vorgehabt, ihm zu widersprechen. Dennoch machte seine wirklich nette Art sie etwas verlegen. Ilonka schaute auf den Boden, wo noch das Popcorn verstreut lag und bedankte sich lächelnd. Als sie ihren Blick wieder hob, war sie wirklich etwas durcheinander. Aber auch dem jungen Mann schien es nicht anderes zu ergehen. Zuerst drückte er ihr die Becher in die Hände, die Cola hatte sie unter den Arm geklemmt, auch wenn sie vermutlich nicht einen Schritt hätte tun können, ohne die Getränke auszukippen. Aber da wurde sie wieder von ihrer Last befreit, weil der junge Mann ihr beides wieder abnahm. Es wirkte etwas ungeschickt, Ilonka musste lachen.
    „Ich werde Sie besser zu ihrem Platz begleiten. Sonst passiert vermutlich gleich noch mal etwas.“ meinte er lächelnd. Sie sah ihn an. Mann, war das ein Lächeln! Er gefiel ihr von Minute zu Minute besser. Sein blondes Haar hatte im Schein der Neonlampen einen goldenen Schimmer. Es war lockig und er trug es in einer Länge, die ihm über die Schultern reichte. Sie lächelte. Sie hätte gar nicht mehr anderes gekonnt! Nur gut, dass sie nicht schüchtern war, sonst wäre sie wohlmöglich noch rot angelaufen, dachte sie. Wieder betrachtete sie sein Haar. Wie Engelshaar. Jedenfalls sah es einfach fabelhaft aus! Seine Augen, das bemerkte sie nun, hatten die Farbe von blauen Smaragden. Und eben dieses Lächeln, das jetzt wieder um seinen Mund spielte. Hatte er vorhin auch schon so gelächelt?

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