Herr des Chaos
einmal Elaidas Zorn, der sie töten würde, obwohl ihr Zorn schrecklich sein konnte. Siebzehn Jahre lang war Katerine nun schon Aes Sedai, aber erst am Morgen vor ihrer Abreise hatte sie erfahren, daß sie mehr als nur die Zugehörigkeit zu den Roten Ajah mit Galina gemein hatte. Zwölf Jahre lang nämlich war sie bereits Mitglied der Schwarzen Ajah, und in all dieser Zeit hatte sie nicht gewußt, daß auch Galina eines ihrer Mitglieder war, und zwar seit viel längerer Zeit schon. Notwendigerweise tarnten sich die Schwarzen Schwestern sehr sorgfältig, sogar voreinander. Bei ihren seltenen Versammlungen verhüllten sie die Gesichter und verstellten die Stimmen. Vor Galina hatte Katerine nur zwei andere kennengelernt, die sie wiedererkennen durfte. Befehle wurden auf ihrem Kopfkissen hinterlassen, oder in einer Tasche ihres Umhangs, und die Tinte, mit der sie geschrieben waren, verblaßte augenblicklich, wenn eine andere Hand als die ihre das Papier berührte. Es gab einen geheimen Ort, an dem sie Nachrichten hinterließ, und einen strengen Befehl, nicht zu warten und zu belauern, wer sie abzuholen komme. Sie war immer gehorsam gewesen. Es konnte unter denen, die im Abstand einer Tagesreise folgten, durchaus Schwarze Schwestern geben, aber sie hatte keine Möglichkeit, das festzustellen.
»Warum?« fragte sie. Befehle, den Wiedergeborenen Drachen am Leben zu halten, ergaben keinen Sinn, genausowenig wie eine Auslieferung an Elaida.
»Fragen zu stellen ist gefährlich für eine, die geschworen hat, bedingungslos zu gehorchen.«
Katerine schauderte wieder und konnte sich gerade noch davon abhalten, vor Galina einen Knicks zu machen. »Ja, Galina Sedai.« Aber sie konnte sich nicht helfen. Sie fragte sich immer noch, warum.
»Sie zeigen weder Respekt noch ehrenhaftes Verhalten«, grollte Therava. »Sie gestatten uns, ihr Lager zu betreten, als seien wir zahnlose Hunde, und dann bringen sie uns unter Bewachung hinaus, als verdächtigten sie uns des Diebstahls.«
Sevanna blickte sich nicht um. Das würde sie erst wieder tun, wenn sie sich in der Deckung der Bäume befanden. Die Aes Sedai würden bestimmt nach Anzeichen der Nervosität bei ihnen Ausschau halten. »Sie haben sich einverstanden erklärt Therava«, sagte sie. »Das reicht fürs erste.« Für den Moment. Eines Tages würden diese Länder hier den Shaido zum Plündern offenstehen. Einschließlich der Weißen Burg.
»Das ist alles zu unausgegoren«, sagte die dritte Frau mit Nervosität in der Stimme. »Die Weisen Frauen meiden alle Aes Sedai; das war schon immer so. Vielleicht war es bei dir in Ordnung, Sevanna, denn als Couladins und Suladrics Witwe vertrittst du den Clanhäuptling, bis wir wieder einen Mann nach Rhuidean schicken können, aber wir anderen hätten nicht daran teilnehmen sollen.«
Sevanna zwang sich mit Mühe zum Weitergehen. Desaine hatte sich gegen ihre Wahl zur Weisen Frau ausgesprochen und laut lamentiert, sie habe keine Lehrzeit absolviert und Rhuidean nicht besucht. Außerdem hatte sie behauptet, gerade ihr Rang als Stellvertreterin des Clanhäuptlings mache es unmöglich, sie auch noch zur Weisen Frau zu erheben. Und dazu konnte es sein, da ihr nicht nur ein Ehemann, sondern gleich zwei gestorben waren, daß sie dem Clan Unglück brachte. Glücklicherweise hatten genügend Weise Frauen der Shaido auf Sevanna gehört und nicht auf Desaine. Andererseits hatten allzu viele auf Desaine gehört, als daß man sie problemlos hätte beseitigen können. Die Weisen Frauen waren an sich ja unverletzlich - sogar diejenigen, die zu diesen Verrätern und Narren drunten in Cairhien hielten, begaben sich gelegentlich unbehelligt zu den Shaido -, doch Sevanna hatte vor, eine Methode zu finden, sie aus dem Weg zu schaffen.
Als hätten Desaine mit ihren Zweifeln Therava angesteckt, begann diese halb in sich hinein zu knurren: »Alles Üble, das wir tun, richtet sich gegen die Aes Sedai. Wir dienten ihnen vor der Zerstörung der Welt und wir haben dabei versagt. Deshalb wurden wir ins Dreifache Land gesandt. Wenn wir noch einmal versagen, werden wir vernichtet.«
Das jedenfalls glaubten alle. Es war Teil der alten Legenden und gehörte zum Brauchtum. Sevanna war jedoch keineswegs so sicher. Diese Aes Sedai kamen ihr schwach und töricht vor. Sie reisten mit ein paar hundert Mann Begleitung durch ein Gebiet, in dem sie die wahren Aiel, die Shaido, zu Tausenden leicht überrennen konnten. »Ein neuer Tag ist angebrochen«, sagte sie in scharfem Ton,
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