Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr des Chaos

Herr des Chaos

Titel: Herr des Chaos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
Tallanvor abgesehen war das im Augenblick ihr ganzes Heer, mit dem sie Andor zurückgewinnen und Gaebril den Thron wieder abnehmen wollte.
    Das ungleiche Paar verbeugte sich tief, doch sie glitt an ihnen vorbei und schlug Tallanvor die Tür vor der Nase zu. »Die Welt«, verkündete sie grollend, »wäre ohne Männer viel besser dran.«
    »Aber auch viel leerer«, kommentierte die Stimme von Morgases alter Kinderschwester von ihrem Stuhl her, der vor einem mit Samtvorhängen ausgestatteten Fenster im Vorzimmer stand. Lini hatte den Kopf über den Stickrahmen geneigt, und ihr grauer Dutt hüpfte auf und ab. Sie war wohl dünn wie eine Weidenrute, aber keineswegs so gebrechlich, wie sie manchmal wirkte. »Ich nehme an, Ailron war heute auch nicht entgegenkommender als bisher? Oder liegt es an Tallanvor, Kind? Ihr müßt lernen, Euch von Männern nicht so aufregen zu lassen. Die Anspannung steht Eurem Gesicht nicht.« Lini tat immer noch so, als befände sich Morgase im Kinderzimmer, obwohl sie mittlerweile Morgases Tochter großgezogen hatte.
    »Ailron war sehr charmant.« Morgase drückte sich vorsichtig aus. Die dritte Frau im Zimmer, die auf den Knien vor einer Truhe lag und zusammengefaltete Bettlaken herausnahm, schnaubte vernehmlich, worauf Morgase nur mit Mühe einen empörten Blick in ihre Richtung unterdrückte. Breane war Lamgwins ... Begleiterin. Die kleine, sonnengebräunte Frau folgte ihm, wohin er auch ging, aber sie kam aus Cairhien und Morgase war nicht ihre Königin, was sie immer deutlich machte. »Noch ein oder zwei Tage, denke ich«, fuhr Morgase fort, »dann werde ich wohl ein bindendes Versprechen aus ihm herausholen. Heute hat er mir immerhin schon beigepflichtet, daß ich keine Soldaten von außerhalb benötigen werde, um Caemlyn zurückzugewinnen. Sobald Gaebril aus Caemlyn vertrieben ist, werden sich die Adligen wieder hinter mich stellen.« Das hoffte sie wenigstens. Sie befand sich in Amadicia, weil sie sich von Gaebril blenden lassen hatte, und auf seine Empfehlung hatte sie sogar ihre ältesten Freundinnen unter dem Adel schlecht behandelt und verärgert.
    »Ein langsames Pferd erreicht nicht immer das Ziel der Reise«, zitierte Lini, die immer noch ganz auf ihre Stickerei konzentriert schien. Sie liebte solche alten Redensarten. Morgase vermutete allerdings, daß viele davon von ihr selbst stammten.
    »Dieses schon«, versicherte Morgase. Tallanvor hatte unrecht in bezug auf Ghealdan. Ailron zufolge befand sich dieses Land fast schon im Zustand der Anarchie, und schuld daran war dieser Prophet, von dem sich die Dienerschaft immer neue Dinge zuflüsterte, also der Kerl, der von der Wiedergeburt des Drachen predigte. »Ich hätte gern ein wenig von dem gewürzten Wein, Breane.« Die Frau blickte sie lediglich an, bis sie schließlich hinzufügte; »Bitte.« Und sogar danach schenkte sie ihr den Punsch mit einem mürrischen Gesichtsausdruck ein.
    Die Mischung aus Wein und Fruchtsaft war eisgekühlt und bei dieser Hitze äußerst erfrischend. Der Silberpokal, kalt an Morgases Stirn gepreßt, tat ihr gut. Ailron hatte Schnee und Eis von den Verschleierten Bergen herbringen lassen, obwohl ein stetiger Strom von Lastkarren notwendig war, um den Palast einigermaßen zu versorgen.
    Auch Lini nahm sich einen Becher davon. »Was Tallanvor betrifft«, begann sie, nachdem sie daran genippt hatte.
    »Laß endlich dieses Thema, Lini!« fauchte Morgase.
    »Also ist er jünger als Ihr - wenn schon«, sagte Breane. Sie hatte sich ebenfalls eingeschenkt. Die Unverschämtheit dieser Frau! Sie sollte schließlich eine Dienerin abgeben, gleich, was sie in Cairhien gewesen sein mochte. »Wenn Ihr ihn haben wollt, dann nehmt ihn Euch doch. Lamgwin sagt, er habe Euch Treue geschworen, und ich habe gesehen, wie er Euch anblickt!« Sie lachte mit rauchiger Stimme. »Er wird sich gewiß nicht weigern.« Diese Leute aus Cairhien waren ekelhaft, aber die meisten verbargen wenigstens ihre Anschauungen hinter einer Maske des Anstands.
    Morgase wollte sie schon aus dem Zimmer schicken, da klopfte es an die Tür. Ohne auf die Erlaubnis zum Eintreten zu warten, kam ein weißhaariger Mann herein, der wirkte, als bestünde er nur aus Haut und Knochen. Auf die Brust seines schneeweißen Umhangs war eine strahlende goldene Sonne gestickt. Sie hatte gehofft, die Weißmäntel meiden zu können, bis sie Ailrons Siegel auf einer bindenden Vereinbarung hatte. Die Kühle des Weins drang mit einemmal bis in ihre Knochen. Wo waren

Weitere Kostenlose Bücher