Herr des Chaos
geschmerzt hätte wie eine Verbannung. Wie würde Romanda mit den Zähnen knirschen, wenn sie jemals erführe, daß sie alle für das Kind gestimmt hatten, nur damit Romanda nicht die Stola um die Schultern legen konnte. Aber jetzt waren sie zusammengekommen, um darüber zu sprechen, wie sie Sheriams Einfluß zurückdrängen konnten, nachdem sie sich die Stola der Behüterin angeeignet hatte. Diese Lächerlichkeit, Aufgenommene durch die Verfügung des Mädchens zu Aes Sedai zu erheben! Sheriam mußte wahnsinnig geworden sein. Während sie weitersprachen, begann sich Lelaine zu fragen, wo Delana war. Sie hätte dabeisein sollen.
Delana saß in ihrem Zimmer und betrachtete Halima, die auf Delanas Bettkante kauerte. Der Name Aran'gar durfte niemals benutzt werden. Delana fürchtete, daß Halima es bemerken würde, wenn sie den Namen auch nur dachte. Sie hatten nur einen kleinen, lediglich sie beide umgebenden Schutzwall gegen Lauscher errichtet. »Das ist verrückt«, brachte sie schließlich hervor.
»Versteht Ihr nicht? Wenn ich weiterhin versuche, jede Zwietracht zu unterstützen, werden sie mich früher oder später ertappen!«
»Jeder muß gewisse Risiken eingehen.« Die Bestimmtheit in Halimas Stimme strafte das Lächeln um ihren üppigen Mund Lügen. »Und Ihr werdet weiterhin darauf drängen, daß Logain wieder einer Dämpfung unterzogen wird. Andernfalls muß er getötet werden.« Die Frau wirkte tatsächlich ein wenig hübscher, als sie das Gesicht leicht verzog. »Wenn sie ihn jemals aus diesem Haus herausgelangen ließen, würde ich mich selbst um die Angelegenheit kümmern.«
Delana konnte es sich vorstellen, aber sie würde ihre Zweifel der Frau gegenüber erst dann äußern, wenn sie versagte. »Ich verstehe nicht, warum Ihr solche Angst vor einem Mann habt, den sechs Schwestern Tag und Nacht abschirmen.«
Halimas grüne Augen blitzten, als sie aufsprang. »Ich habe keine Angst! Behauptet das nie wieder! Ich will, daß Logain abgesondert oder getötet wird, und mehr braucht Ihr nicht zu wissen. Habt Ihr mich verstanden?«
Delana dachte nicht zum ersten Mal daran, die andere Frau zu töten, aber sie war sich insgeheim sicher, daß sie dann diejenige wäre, die sterben würde. Halima wußte irgendwie, wann sie Saidar umarmte, auch wenn Halima selbst nicht die Macht lenken konnte. Die schlimmste Vorstellung war aber, daß Halima sie nicht töten würde, weil sie sie brauchte. Delana wußte nicht, was sie statt dessen tun würde, aber allein das unbestimmte Gefühl einer Bedrohung ließ sie bereits erschaudern. Sie sollte fähig sein, die Frau genau hier und jetzt zu töten. »Ja, Halima«, sagte sie demütig und haßte sich dafür.
* * * »Das ist nett von Euch«, murmelte Siuan und hielt Lelaine ihren Becher hin, damit sie dem Tee einen Spritzer Branntwein hinzufügen konnte. Die Sonne sank bereits und verlieh dem Licht einen rötlichen Schimmer, aber draußen auf den Straßen ging es noch immer hoch her. »Ihr habt keine Vorstellung davon, wie ermüdend es ist, diesem Mädchen das Zeremoniell beizubringen. Sie scheint zu glauben, daß alles gutgehen würde, solange sie sich wie eine Weise aus ihrer Heimat benähme. Der Saal soll der Frauenkreis oder etwas Ähnliches werden.«
Lelaine bekundete ihr Mitgefühl. »Ihr sagt, sie habe sich über Romanda beklagt?«
Siuan zuckte die Achseln. »Sie sagte etwas darüber, daß Romanda darauf bestünde, wir sollten hierbleiben, anstatt nach Tar Valon zu gehen, soweit ich es verstanden habe. Licht, das Mädchen hat ein Temperament wie ein Reiher in der Paarungszeit. Ich hätte sie am liebsten an den Schultern gepackt und geschüttelt, aber sie trägt jetzt natürlich die Stola. Nun, wenn ich meine Lehrstunden beendet habe, werde ich nichts mehr mit ihr zu tun haben. Erinnert Ihr Euch...?«
Siuan lächelte innerlich und beobachtete, wie Lelaine mit dem Tee auch alles andere schluckte. Nur der erste Satz war wirklich wichtig gewesen. Die Bemerkung über das Temperament hatte sie selbst hinzugefügt, aber diese Worte würden die Sitzenden vielleicht veranlassen, Egwene etwas vorsichtiger zu behandeln. Außerdem hegte sie den Verdacht, daß es stimmen könnte. Sie würde niemals wieder selbst die Amyrlin sein, und sie war sich ziemlich sicher, daß der Versuch, Egwene zu beeinflussen, genauso nutzlos wäre, wie es der Versuch, sich selbst zu beeinflussen, gewesen war - und genauso schmerzhaft -, aber eine Amyrlin lehren, eine Amyrlin zu sein... Sie freute sich
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