Herr des Chaos
Zeitalter verschwunden sein. Sie und ihre entgleitenden uralten Stätten und Dinge, die sie stets ins Gespräch brachte... Nynaeve wünschte, sie hätte miterlebt, wie sie Egwene gegenüber zugegeben hatte, was Egwene bereits wußte. Egwene war während ihrer Zeit mit den Aiel beeindruckend stark geworden und nahm nur weniges hin, was sie für Unsinn hielt. Birgitte hatte tatsächlich gedemütigt gewirkt, als sie zurückkam.
Dennoch mochte Nynaeve Birgitte lieber als Aviendha, deren starrer Blick und blutrünstiges Gerede ihr manchmal ein sehr unbehagliches Gefühl vermittelte. Aber wie lästig Birgitte auch sein mochte - Nynaeve hatte versprochen, ihr zu helfen, ihr Geheimnis zu bewahren.
»Mat ... hat mich bedroht«, sagte sie hastig. Es war die erste Möglichkeit, die ihr in den Sinn kam, um Aviendha abzulenken, und das letzte, was sie jedermann wissen lassen wollte. Ihre Wangen röteten sich erneut. Elayne lächelte wahrhaftig, obwohl sie genügend Takt besaß, dieses Lächeln hinter ihrer Teetasse zu verbergen.
»Nicht so«, fügte Nynaeve hinzu, als Aviendha die Stirn runzelte und nach ihrem Gürtelmesser tastete. Die Aielfrau glaubte anscheinend, eine drohende Haltung sei die richtige Antwort auf alles. »Es war nur...« Aviendha und Birgitte sahen sie an und hörten ihr aufmerksam zu. »Er hat nur gesagt...« So wie sie Birgitte gerettet hatte, rettete Elayne jetzt sie.
»Ich glaube wirklich, daß wir jetzt genug über Meister Cauthon gesprochen haben«, erklärte Elayne nachdrücklich. »Er ist nur hier, damit er Egwene nicht in die Quere kommt. Und ich kann später herausfinden, was wegen des Ter'angreals geschehen soll.« Sie preßte einen Moment die Lippen zusammen. Sie war nicht glücklich gewesen, als Vandene und Adeleas begonnen hatten, Mat gegenüber ganz nebenbei die Macht zu lenken, und sie war es noch weniger darüber, daß er in dieses Gasthaus entkommen war. Aber sie hatte nichts dagegen tun können. Sie behauptete, daß sie ihn an Befehle gewöhnen könnte, indem sie ihm nur das auftrug, was er ohnehin tun mußte. »Er ist der unwichtigste Teil dieser Reise«, sagte sie noch bestimmter.
»Ja.« Nynaeve bemühte sich, ihre Erleichterung nicht offen zu zeigen. »Ja, die Schale ist wichtiger.«
»Ich schlage vor, daß ich zunächst die Stadt auskundschafte«, sagte Birgitte. »Ebou Dar scheint rauher, als ich es in Erinnerung hatte, und die Gegend, die Ihr beschrieben habt, könnte noch rauher sein als...« Sie sah Aviendha kaum an. »...als die restliche Stadt«, beendete sie ihren Satz seufzend.
»Wenn es etwas auszukundschaften gibt«, wandte Aviendha eifrig ein, »möchte ich daran teilhaben. Ich habe einen Cadin'sor.«
»Ein Kundschafter muß sich einfügen«, sagte Elayne sanft. »Ich denke, wir sollten hiesige Kleidung für uns alle besorgen. Dann können wir von Anfang an alle zusammen suchen, und keine von uns wird ausgeschlossen... Obwohl Nynaeve es am leichtesten von uns haben wird«, fügte sie mit einem Birgitte und Aviendha zugewandten Lächeln hinzu. Die Ebou Dari, die sie bisher gesehen hatten, hatten alle dunkles Haar, und die meisten schienen fast schwarze Augen zu haben.
Aviendha stieß verdrießlich den Atem aus, und Nynaeve hätte es ihr am liebsten gleichgetan, als sie an jene tiefen Ausschnitte dachte, die sehr tief, wenn auch schmal waren. Birgitte grinste wahrhaftig. Die Frau besaß überhaupt kein Schamgefühl.
Bevor die Debatten noch weitergehen konnten, trat eine Frau mit kurzem schwarzen Haar in der Livree des Hauses Mitsobar ohne anzuklopfen ein, was Nynaeve als unhöflich empfand. Sie trug ein weißes Gewand, den Rock auf der linken Seite bis zum Knie umgenäht, so daß ein grüner Unterrock zu sehen war, sowie ein enganliegendes Leibchen, das über der linken Brust einen grünen Anker und ein Schwert aufwies. Rundlich und in mittlerem Alter, zögerte die Frau, vollführte dann einen Hofknicks und wandte sich schließlich an sie alle. »Königin Tylin wünscht die drei Aes Sedai zu sehen, wenn es ihnen beliebt.«
Nynaeve wechselte verwunderte Blicke mit Elayne und den anderen.
»Nur zwei von uns sind Aes Sedai«, erklärte Elayne zögernd. »Vielleicht wolltet Ihr Merilille aufsuchen?«
»Ich wurde angewiesen, diese Räume aufzusuchen ... Aes Sedai.« Die Pause war kaum zu bemerken gewesen, und die Frau vermied es nur knapp, die Anrede als Frage zu gestalten.
Elayne erhob sich und glättete ihre Röcke. Ein Fremder hätte nicht vermutet, daß dieses
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