Herr des Chaos
Rasierklinge. Das kommt davon, wenn man Aes Sedai traut.
Sie glaubten, sie könnten ihn zerbrechen, ihn dazu bringen, zu Elaida zu kriechen! Er zwang sich, das Schwerste zu tun, was er jemals in seinem Leben getan hatte. Er lächelte. Sicherlich berührte dieses Lächeln nur seine Lippen, aber er blickte Erian dennoch in die Augen, und er lächelte. Ihre Augen weiteten sich, und sie zischte etwas. Dann schienen Peitschenhiebe von überallher gleichzeitig zu kommen.
Die Welt bestand aus Schmerz und Feuer. Er konnte nicht sehen, nur fühlen. Marter und Hölle. Aus irgendeinem Grund war er sich der Tatsache bewußt, daß seine Hände in unsichtbaren Fesseln heftig zitterten, aber er konzentrierte sich darauf, die Zähne zusammenzubeißen. Das kommt von... Ich werde nicht aufschreien! Ich werde nicht auf...! Niemals wieder; keinen Finger...! Keinen Fingerbreit; keine Haaresbreite! Niemals wie... ! Ich werde es nicht tun! Niemals ein...! Niemals! Niemals! NIEMALS!
Zuerst war da die Wahrnehmung zu atmen. Luft, gierig durch die Nase eingesaugt. Sein ganzer Körper pochte - er war eine pulsierende Flamme -, aber die Schläge hatten aufgehört. Es traf ihn fast wie ein Schock, als er es erkannte. Das Ende von etwas, das niemals zu enden schien. Er schmeckte Blut, und sein Kiefer schmerzte fast genauso wie sein restlicher Körper. Gut. Er hatte nicht aufgeschrien. Seine Gesichtsmuskeln waren vollkommen verkrampft. Es würde Mühe kosten, den Mund zu öffnen, selbst wenn er es wollte.
Als letztes kehrte das Sehvermögen zurück, und als es geschah, fragte er sich, ob ihm der Schmerz Halluzinationen bescherte. Zwischen den Aes Sedai stand eine Gruppe Weise Frauen, die an ihren Stolen zupften und die Aes Sedai mit aller ihnen verfügbaren Anmaßung ansahen. Als er entschied, daß sie real waren - es sei denn, es entspränge auch seiner Phantasie, daß Galina mit einer seiner Einbildungen sprach -, war sein erster Gedanke Rettung. Irgendwie hatten die Weisen Frauen... Es war unmöglich, aber irgendwie würden sie... Dann erkannte er die Frau, mit der Galina sprach.
Sevanna schlenderte auf ihn zu, ein Lächeln um den prallen, gierigen Mund. Die hellgrünen Augen spähten aus diesem schönen, von Haaren wie aus gesponnenem Gold umrahmten Gesicht zu ihm hoch. Rand hätte genauso gerne einem tollwütigen Wolf in die Augen geschaut. Etwas an ihrer Haltung war seltsam. Sie stand leicht vornübergebeugt, die Schultern zurückgenommen. Sie beobachtete seine Augen. Er verspürte plötzlich, trotz seiner Schmerzen, das Bedürfnis zu lachen. Und er hätte es getan, wenn er hätte sicher sein können, welcher Laut seinem Mund entschlüpft wäre. Hier stand er, ein Gefangener, fast zu Tode geprügelt und eine Frau, die ihn haßte, dessen war er sich sicher, und die ihn wahrscheinlich für den Tod ihres Geliebten verantwortlich machte, versuchte zu erkennen, ob er ihr in die Bluse schauen würde!
Sie ließ gemächlich einen Fingernagel seine Kehle entlangstreifen - tatsächlich soweit um seinen Hals herum, wie sie ihn erreichen konnte -, als stelle sie sich vor, ihm den Kopf abzuschneiden. Sehr passend, wenn man Couladins Schicksal bedachte. »Ich habe ihn gesehen«, sagte sie mit einem zufriedenen Seufzen. »Ihr habt Euren Teil des Handels eingehalten, und ich habe meinen eingehalten.«
Dann sicherten ihn die Aes Sedai erneut und drängten ihn wieder mit dem Kopf zwischen den Knien in die Kiste, wo er sich abermals in diese Schweißpfütze kauern mußte. Der Deckel wurde geschlossen, und Dunkelheit hüllte ihn ein.
Erst da ließ sich sein Kiefer wieder bewegen, bis er den Mund öffnen konnte und einen langen, zitternden Atemzug ausstieß. Licht, wie er brannte!
Was tat Sevanna hier? Um welchen Handel ging es? Schön und gut zu wissen, daß ein Handel zwischen der Burg und den Shaido bestand, aber darüber würde er sich später sorgen. Jetzt mußte er an Min denken. Er mußte sich befreien. Sie hatten Min verletzt. Dieser Gedanke war so schlimm, daß er fast den Schmerz dämpfte. Fast.
Um das Nichts wieder anzunehmen, mußte er einen Sumpf heftigen Schmerzes durchwaten, aber schließlich war er von Nichts umgeben und streckte sich nach Saidin aus... Nur um Lews Therin dort ebenso schnell vorzufinden, wie ein Paar Hände, die nach etwas griffen, das nur ein Mensch festhalten konnte.
Verdammt seist du! grollte Rand in Gedanken. Verdammt seist du! Wenn du doch nur einmal mit mir zusammenarbeiten würdest, anstatt gegen mich zu
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