Herr des Lichts
»Ich gebe also zu, was offensichtlich ist. Ich habe vor kurzem noch Ringe getragen.«
»Es ist also wie mit den Hunden. Auch Ihr seid nicht, was Ihr zu sein scheint. Und Ihr fragt mich nach Olvagga und nennt ihn bei seinem allerältesten Namen. Euer Name ist - sagt Ihr - Sam. Seid Ihr vielleicht zufällig einer der Ersten?«
Sam antwortete nicht sofort, sondern blickte den anderen prüfend an, als erwarte er, mehr von ihm zu hören.
Vielleicht begriff der Kapitän das, denn er fuhr fort:
»Ich weiß, daß Olvagga zu den Ersten gehört, obwohl er selbst nie darüber gesprochen hat. Ich verrate Euch damit kein Geheimnis, denn entweder seid Ihr selbst einer der Ersten oder Ihr seid einer der Meister. Ich möchte jedoch wissen, ob ich mit einem Freund oder mit einem Feind spreche.«
Sam runzelte die Stirn. »Jan galt nie als jemand, der sich Feinde macht«, sagte er. »So wie Ihr sprecht, hat er sie aber jetzt - Feinde unter denen, die Ihr die Meister nennt.«
Der Seemann blickte ihn weiter starr an. »Ihr seid kein Meister«, sagte er schließlich, »und Ihr kommt von weit her.«
»Ihr habt recht«, sagte Sam, »aber woraus habt Ihr es geschlossen?«
»Zunächst einmal«, sagte der andere, »seid Ihr ein alter Mann. Ein Meister könnte zwar auch einen alten Körper haben, aber er würde ihn nicht haben - ebensowenig wie er sehr lange in Hundegestalt existieren würde. Seine Furcht, wie die Alten plötzlich den wirklichen Tod zu sterben, ist dafür zu groß. Er würde deshalb nie so lange in einem alten Körper bleiben, daß Druckspuren von Ringen tief in die Finger eingekerbt sein könnten. Die Reichen werden nie ihrer Körper beraubt. Wenn ihnen eine Wiedergeburt abgeschlagen wird, leben sie ihr Leben zu Ende. Die Meister müßten fürchten, daß die Anhänger eines solchen Reichen zu den Waffen greifen und sich erheben würden, wenn er einen anderen als den natürlichen Tod stürbe. Ein Körper wie Eurer könnte auf diese Weise also nicht beschafft worden sein, und ein Leib aus den Lebensbecken hätte ebenfalls keine Ringabdrücke.
Deswegen«, schloß er, »nehme ich nicht an, daß Ihr ein Meister seid. Wohl aber seid Ihr ein bedeutender Mann. Wenn Ihr Olvagga noch aus den alten Zeiten kennt, dann seid Ihr wie er einer der Erstlinge. Aus den Auskünften zu schließen, die Ihr wünscht, kommt Ihr von weit her. Wärt Ihr aus Mahartha, würdet Ihr von den Meistern wissen; und wüßtet Ihr von den Meistern, wüßtet Ihr auch, warum Olvagga nicht mehr segeln kann.«
»Ihr scheint sehr viel mehr über die Lage in Mahartha zu wissen als ich, obwohl Ihr doch eben erst eingelaufen seid, Schiffer.«
»Wie Ihr komme auch ich von einem fernen Ort«, räumte leicht lächelnd der Kapitän ein, »aber es ist so, daß ich in einem Dutzend Monaten vielleicht zwei Dutzend Häfen besuche. Ich erfahre das Neueste - Nachrichten, Gerüchte und Erzählungen von überall her - aus mehr als zwei Dutzend Hafenstädten. Ich erfahre von Palastränken und Tempelangelegenheiten. Ich erfahre die Geheimnisse, die des Nachts unter dem Zuckerrohr-Bogen des Kama den goldenen Mädchen zugeflüstert werden. Ich erfahre von den Feldzügen der Khschatriya und den Geschäften der großen Kaufleute, die Korn und Gewürze, Geschmeide und Seide liefern. Ich trinke mit den Barden und mit den Sterndeutern, mit den Schauspielern und mit den Dienern, mit den Kutschern und mit den Schneidern. Manchmal laufe ich auch in einen Hafen ein, in dem Freibeuter vor Anker gegangen sind. Dann höre ich, wie es denen geht, die die Korsaren auf Lösegeld gefangengenommen haben. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß ich mehr über Mahartha weiß als Ihr - obwohl ich weit übers Meer gekommen bin und Ihr selbst vielleicht nur eine Woche von hier entfernt lebt. Zuweilen erfahre ich sogar etwas über das Wirken der Götter.«
»Dann könnt Ihr mir wohl auch etwas über die Meister berichten und über die Gründe, daß man sie als Feinde betrachten muß?« fragte Sam.
»Ich will Euch einiges über sie erzählen«, erwiderte der Kapitän, »damit Ihr gewarnt seid. Was einmal die Körperhändler waren, sind jetzt die Meister des Karma. Ihre Personennamen werden geheimgehalten, wie es bei den Göttern auch üblich ist, damit sie so unpersönlich erscheinen wie das Große Rad, das sie zu vertreten beanspruchen. Sie sind nicht mehr freie Körperhändler, sondern arbeiten mit den Tempeln zusammen, die sich im übrigen auch gewandelt haben. Eure Kameraden aus den Reihen
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