Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
stürzen.
Die erhobene Hand ihres Besuchers stoppte sie. Anders als die Rechte steckte seine Linke nicht in einem Handschuh. Dafür hätte er auch eine Spezialanfertigung benötigt. Aus dem Handballen wuchs ein zweiter Daumen. »Ich bitte Euch«, säuselte er. »Es gibt Wichtigeres als diesen Menschen.«
Ein weiterer Ghoul trat durch die Tür, während der erste nun, da die Gefahr von seinem Herrn abgewendet war, wieder verträumt in die Flammen starrte.
»Ihr seid der, den sie den Fayé nennen«, stellte Nalaji fest.
Er zog einen Schmollmund. »Ich denke, es wäre angebrachter, wenn Ihr mich ›Ghoulmeister Monjohr‹ nennen würdet. Dieser Titel hat mich viele Mühen gekostet.«
Und viele Eurer Konkurrenten das Leben, dachte Nalaji. Narron lag hustend an der Wand. Immerhin lebte er.
»Ich sagte doch, er ist jetzt unwichtig«, tadelte Monjohr. »Wir sollten erst einmal das Feuer löschen. Wie wäre es, wenn Ihr Wasser aus der Decke regnen lassen würdet?«
Sie starrte ihn an.
»Ja, ich weiß, wer Ihr wirklich seid. Eine Priesterin der Mondmutter. Warum wollt Ihr es uns so schwer machen? Ich bin nicht gekommen, Euch in den Kerker zu werfen. Das würden andere tun. Nun macht schon, ich habe noch nie ein Wunder gesehen. Einer tapferen Priesterin wie Euch sollte das doch nicht schwerfallen.«
»Ich bin keine Attraktion Eurer sogenannten Festtafel.«
Monjohr seufzte. »Ich merke schon, das wird mühsam. Andererseits würde der Regen sicher die Schriften verderben, die dem Kult so wertvoll sind.«
Er löste den Mantel von seinen Schultern, breitete ihn über die Bücher auf dem Tisch und drückte mit den flachen Händen darauf. Nalaji hoffte, dass der Stoff Feuer finge, aber dafür schien das Gewebe zu fest zu sein und die Flammen zu niedrig. Es wurde dunkel in dem Raum, in dem jetzt nur noch die beiden Kerzen rußten, die in Wandhalterungen steckten.
Bei dieser spärlichen Beleuchtung waren die beiden Ghoule kaum zu erkennen, die nun mit einer Kiste von den Abmessungen eines Sargs in den Raum kamen. Sie hatten Schwierigkeiten, ihre Last durch die enge Tür zu bewegen. Einer von ihnen schmatzte unentwegt, was Nalaji befürchten ließ, dass sie tatsächlich eine Leiche beförderten. Der Geschmack der Untoten war kein Geheimnis.
Da der Ghoul, der den Raum als Erster betreten hatte, seinem Herrn Platz gemacht hatte, stand er nun zwischen Nalaji und Narron. Sie wagte nicht, sich zu ihrem Mann zu begeben. Die Kraft des Untoten hatte sie gesehen, und sie bezweifelte, dass er intelligent genug war, um zwischen harmloser Annäherung und Angriff zu unterscheiden. »Geht es dir gut?«, rief sie.
»Sorge dich nicht um mich, mein Mondfalter.« Er versuchte, sich aufzurichten, sackte aber ächzend zurück. Blut konnte Nalaji nicht erkennen, doch das mochte auch an der dürftigen Beleuchtung liegen. Sie fühlte ihr Herz pochen. O gütige Monde, nehmt ihn nicht von mir!
Monjohr faltete seinen Mantel zusammen und legte ihn auf den Boden. »Wir brauchen den Platz auf dem Tisch«, sagte er. »Mit Kerzen seid Ihr etwas ungeschickt, wie mir scheint, also will ich mich darum kümmern, dass wir es etwas heller haben. Ihr sollt Euch ja wohlfühlen. Derweil könntet Ihr die Bücher vom Tisch schaffen. Und seid so gut, achtet darauf, dass die Seiten nicht verknicken.« Er folgte ihrem Blick. »Je eher wir hier fertig sind, desto schneller könnt Ihr Euch um Euren Gatten kümmern. Also seid nicht störrisch.«
Mit spitzen Fingern sammelte er die Talgkerzen ein, drehte sich dann um und entzündete die erste an einer der Kerzen an der Wand. Nalaji trat an den Tisch und umfasste seine Kante. Die Wut gab ihr die Kraft, ihn mit einem Ruck anzuheben, sodass die Bücher auf der anderen Seite herunterrutschten und polternd auf den Boden fielen. »Fertig«, stellte sie fest.
Missbilligend sah Monjohr auf den chaotischen Haufen.
»Ich bin aber auch ungeschickt«, säuselte Nalaji. Der Schalk verwehte, als Narron hinter ihr stöhnte. Ich darf mich nicht hinreißen lassen.
Der schmatzende Ghoul und sein Kumpan hatten unbewegt gestanden, das Gewicht der Kiste schien sie nicht zu belasten. Auf Monjohrs Befehl stellten sie sie auf dem Tisch ab.
Nalaji erkannte, dass es sich tatsächlich um einen Sarg handelte, wenn auch um einen grob gezimmerten, wie ihn einfache Bürger verwendeten. Wer es sich leisten konnte, gönnte den verstorbenen Angehörigen Eisenbeschläge, um ihre sterbliche Hülle zumindest ein wenig vor dem Zugriff eben solcher
Weitere Kostenlose Bücher