Herr: Die Schattenherren 3 (German Edition)
Unkreaturen zu schützen wie jener, die nun von dem Tisch zurückschlurften.
Auf einen Deckel hatte man verzichtet. In dem Sarg lag eine Frau, aber sie war nicht tot, wie Nalaji erkannte, als Monjohr Wachs auf die Kante tröpfelte und eine Kerze darauf befestigte. Ihr Gesicht war gelb angelaufen. Schweiß stand darauf und verklebte ihr rotes Haar – sie war so durchnässt, als sei sie durch ein schweres Unwetter getragen worden und zitterte am ganzen Körper. Ihre Augenlider flatterten. Ein edles Korsett lag locker um ihren Oberkörper, sodass jemand seine Schnürung zerschnitten haben musste. Wenn sie ein Ballkleid getragen hatte, hatte man es ihr ausgezogen. Von der Hüfte abwärts war sie lediglich mit einem dunklen Unterrock bekleidet, die Füße waren nackt.
»Wundfieber«, sagte Nalaji und zeigte auf den Stumpf, wo einmal die rechte Hand gewesen war. Er war verbunden und abgeschnürt worden. Offenbar hatte man die Bandagen sogar gewechselt, aber sie bluteten bereits wieder durch, färbten sich rot und eitergelb und, was am meisten Anlass zur Besorgnis gab, dunkel violett.
Monjohr nickte. »Leider kann ich niemanden von der Schwelle des Nebellands zurück ins Leben holen. Ich verstehe mich lediglich auf die andere Richtung.« Er grinste.
Da sie nicht antwortete, fuhr er fort: »Deswegen komme ich zu Euch. Ihr seid doch eine Heilpriesterin, nicht nur eine Spionin. Nun glotzt nicht so!« Er kicherte. »Bei mir ist Euer kleines Geheimnis sicher. Ich gehöre nicht zum Kult, und Eure Enttarnung würde mir weniger einbringen als Eure Heilkunst. Also schlage ich vor, Ihr folgt den Geboten der Mondmutter und bemüht Euch um diese Bedürftige.«
»Wer ist sie?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sie heißt Kiretta. Das Liebchen des jüngsten Osadro. Bren Stonner. Ihr habt von ihm gehört?«
Stumm nickte sie, während Narron hinter ihr stöhnte.
»Ich könnte sie zur Untoten machen.« Wieder kicherte er. »Sie würde einen hübschen Ghoul abgeben.« Seine sechsfingrige Hand streichelte ihre Wange, wischte etwas Schweiß von der Stirn, den er ableckte. Er legte den Kopf schräg, als wollte er den Geschmack bestimmen. Dann zuckte er die Schultern. »Aber das ist leider nicht gewünscht. Man will sie lebend. Vielleicht. Jedenfalls hat man mehr Möglichkeiten, wenn sie lebt. Töten kann man sie immer noch, wenn sich das als nützlich erweisen sollte. Wer aber ins Nebelland entkommen ist, der kehrt nicht wieder zurück. Jedenfalls nicht so, dass man etwas mit ihm anfangen könnte.« Seine spitzen Zähne blitzten.
»Ist sie der Grund für den Hass zwischen Bren und Lisanne?«
Er runzelte die Stirn. »Warum interessiert Euch das?«
»Ich bin neugierig, wie Ihr schon erkannt habt.«
»Neugierig genug, damit Ihr darüber die Sorge um Euren Gatten vernachlässigt?«
Sie ballte die Faust hinter dem Rücken. »Also ist diese Frau der Grund?«
Die Kupferringe an seinem Zopf klingelten, als er den Kopf schüttelte. »Es geht um einen Paladin aus Eurer Heimat. Helion hieß er, wenn ich nicht irre. Er war in Stasis, jetzt ist er tot, und das betrübt die Schattenherzogin.«
Monjohr schwatzte weiter, aber seine Worte entgingen Nalaji. Helion! An diesen Namen erinnerte sie sich. Sie war eine Adepta gewesen, vor einem halben Jahrhundert. Helion hatte Narron in der Roten Nacht besiegt, als man die Paladine erwählt hatte. Helion hatte die Weihe empfangen, und wie man später erfahren hatte, hatte er mit dem Magier Modranel gegen die Schatten gekämpft. Er hatte Lisanne töten wollen, hatte sogar mehrere Hundert Ritter in den Nachtschattenwald geführt, wo sie gegen die Fayé gefallen waren. Dennoch war er ein Held des Silberkriegs gewesen, vielfach besungen, so wie Modranel. Von Ajina war nur die Rede, weil man sie als Modranels Tochter kannte. Aber für Nalaji war sie viel mehr gewesen. Die beste Freundin ihrer Jugend. Ajina hatte sie in ihrem Liebeskummer getröstet, als Narron nach Guardaja in dieselbe Schlacht gezogen war, in der Helion zum Helden und er selbst zum Krüppel geworden war. Und Ajina war Helions Geliebte gewesen, wie Narron zu berichten wusste. Deswegen hatte Nalaji lange auf die Rückkehr des Rubins gehofft, der in Helions Schwertknauf eingearbeitet gewesen war. Diesen Rubinen vertrauten die Paladine ihre Gedanken an, und sicher hätte Nalaji daraus etwas über die letzten Tage ihrer Freundin erfahren. Aber er war niemals aufgetaucht, verschollen wie sein Besitzer.
Und jetzt erfuhr sie, dass Helion hier
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