Herr Lehmann: Herr Lehmann
schlief. Er lag in einer eigenartig verdrehten Stellung, halb auf der Seite, seine Beine hingen vom Sofa herunter auf den Fußboden, das T-Shirt war ihm hochgerutscht und entblößte seinen großen Bauch, der wie ein praller Sack zur Seite hing. Er schnarchte, daß die Wande wackelten, und im Zimmer roch es nach Alkohol, Achselschweiß, alten Socken und Zigaretten.
, ,Alles klar?"
„Alles klar." Herr Lehmann merkte, daß er Christine auch nicht mochte. Genau so wenig wie Romy Schneider. „Kannst du ihm sagen, daß er sich mal bei mir melden soll, wenn er aufwacht?"
Wenn er aufwacht, haut er wahrscheinlich gleich wieder ab" , sagte sie. „Das ist meistens so. Ich weiß öberhaupt nicht, warum ich ihn öberhaupt noch reinlasse."
„Ja", sagte Herr Lehmann, „das ist schwer zu verstehen."
Wie meinst du das?"
Naja, nur so . . . "
„Ich tu mir das nicht mehr an", sagte sie. Karl legte derweil beim Schnarchen noch eine Schaufel drauf. Wenn du ihn sprichst, bevor ich ihn spreche, dann kannst du ihm ja sagen, daß er gar nicht mehr wiederzukommen braucht."
„Okay."
„Ich hab die Schnauze voll."
„Okay." Herr Lehmann ging zum Ausgang. Sie kam hinter ihm her.
„Das kannst du ihm sagen. Nie wieder. Das kann er sich schenken. Das wird gar kein Problem för ihn sein. Der wird dann nicht mal mehr anrufen."
Wie lange kennt ihr euch schon?"
„Du meinst, wie lange wir zusammen sind? Wie lange wir schon ficken, oder was?"
„Naja, irgend so was."
„Ha!" Sie holte ihn ein, offnete vor ihm die Tur und hielt sie ihm auf. „Zwei Jahre. Zwei Jahre för nichts."
Was soll ich sagen . . . "
„Du sollst gar nichts sagen."
„Nein, tu ich auch nicht."
„Am liebsten wöre es mir, wenn du ihn gleich mitnehmen wurdest", sagte
sie.
Herr Lehmann blieb unschluössig stehen. Er war schon draußen, sie stand in der Tör und blickte ihn an. „Vielleicht sollte ich das tun", sagte er.
Den kriegst du jetzt nicht wach" , sagte sie. Das habe ich schon oft versucht."
„Dann nicht", sagte Herr Lehmann. „Tragen kann ich ihn nicht." „Nein", sagte sie und lachelte freudlos. „Den kann man nicht tragen." „Mach's gut", sagte Herr Lehmann und ging. Sie blieb in ihrer Woh-nungstuör stehen und sah ihm nach wie einem alten Bekannten, der sich nach all den Jahren mal wieder gemeldet hatte und auch leider schon wieder gehen mußte.
Kapitel 17 ÜBERRASCHUNG
Als Herr Lehmann Christines Haus verließ, war es nach seiner Schöatzung erst halb sechs, und er hatte uöberhaupt keine Lust, Erwin vorzeitig aus seinem Elend zu erlosen. Ich hatte mich vorhin einfach hinlegen sollen, dachte er, ich haötte niemals ans Telefon gehen duörfen, dann wuörde ich jetzt schlafen, so wie Karl. Nun war es daför zu spöt. Außerdem hatte er Hunger, also entschloß er sich, am Kottbusser Tor etwas zu essen. Aus Kreuzberg 6l wollte er so schnell wie möglich wieder raus, das deprimierte ihn immer, und durch Neukolln, und sei es nur das kleine Stöck Börknerstraße, das er auf dem Hinweg hatte nehmen muössen, wollte er schon gar nicht mehr gehen, das war noch schlimmer, deshalb war das Kottbusser Tor die beste Löosung, es war nicht weit dahin und dort gab es einige gute tuörkische Restaurants. Zuerst ging er dort in eine Telefonzelle und rief bei Katrin an, aber da meldete sich wieder nur der Anrufbeantworter. Langsam begann er sich Sorgen zu machen. Dann ging er in ein nahe gelegenes tuörkisches Restaurant der strengeren Sorte, eines mit Koran-Inschriften an der Wand und ohne Alkohol und so weiter, er hatte es vor einigen Wochen erst entdeckt, und es war zwar eigentlich mehr ein Imbiß, aber dieser Imbiß hatte ein paar Tische, an denen man sitzen konnte, und das Essen war das beste törkische Essen in der Stadt, davon war Herr Lehmann uöberzeugt. Er war damals, nachdem er es entdeckt hatte, gleich mit Katrin hingegangen, und ihr hatte es auch gefallen, das kleine, seltsame Restaurant, das eigentlich mehr ein Imbiß war, und es hatte, zumindest nach Herrn Lehmanns Meinung, auch unter romantischen Gesichtspunkten ordentlich was hergemacht.
Das ist das Gute an ihr, dachte Herr Lehmann, als er den kleinen Laden betrat, der unten im Neuen Kreuzberger Zentrum untergebracht war, etwas versteckt hinter den Gehwegeinfassungen aus Beton, daß sie sich, zumindest was Essen betrifft, nicht von Schnickschnack wie Kerzenlicht und arroganten Kellnern mit Schurzen blenden laßt, dachte er, daß es ihr um die Sache selbst geht, um das Essen vor allem.
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