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Herr Lehmann

Herr Lehmann

Titel: Herr Lehmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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und fügte, um noch einen draufzusatteln, hinzu: “Schließlich wird man nur einmal dreißig!”
    “Ich weiß, ich weiß”, Herr Lehmann konnte förmlich hören, wie seine Mutter sich am anderen Ende der Leitung vor Bedauern krümmte, “aber da haben die Meierlings ihre Silberhochzeit, die rechnen ja fest mit uns, das können wir nicht mehr absagen. Du bist doch trotzdem Ende Oktober in Berlin, oder nicht? Du kommst da ja sowieso nie raus!”
    “Hm, das hängt davon ab …”, sagte Herr Lehmann genüßlich.
    “Aber wir kommen doch extra wegen dir.”
    “Fällt mir schwer zu glauben, Mutter.”
    “Frank!” Das kam jetzt beinahe flehentlich. “Wenn wir nach all den Jahren mal nach Berlin kommen … Es tut mir ja leid wegen deinem Geburtstag, wenn ich gewußt hätte, daß dir das so wichtig ist …”
    “Naja, so wichtig ist das auch wieder …”
    “Es tut mir wirklich leid, daß es später nicht geht.”
    “Genau.”
    “Wir konnten ja nicht wissen, daß dir das so viel bedeutet.”
    “Naja, so schlimm ist das auch wieder nicht.”
    “Und ich hatte im Februar Geburtstag, da warst du auch nicht hier. Und dein Bruder auch nicht. Da solltest du vielleicht nicht so drauf rumreiten, Auf deinem Geburtstag.”
    “Hm …”
    “Und wenn wir schon mal nach Berlin kommen, da kannst du ja wohl mal für uns da sein.”
    “Sicher, klar.”
    “Das ist ein Wochenende, am 28. und 29. Oktober ist das.”
    “Ich werd’s mir aufschreiben, Mutter, damit ich das nicht vergesse, ich mach mir gleich einen Zettel.”
    “Wenn wir schon mal nach Berlin kommen, da müssen wir uns doch sehen.”
    “Ja klar, Mutter.”
    “Also wirklich!”
    Herr Lehmann seufzte. Na gut, dachte er. Na gut, Mutter: Einigen wir uns auf Unentschieden.

    Kapitel 3

    FRÜHSTÜCK

    Daß es eine blöde Idee gewesen war, an einem Sonntag und um diese Zeit die Markthallenkneipe aufzusuchen, hätte Herrn Lehmann, das dachte er sofort, als er nicht lange nach dem Anruf seiner Mutter die Markthallenkneipe betrat, eigentlich vorher klar sein müssen. Warum bin ich bloß hierhergekommen, dachte er, welcher Teufel hat mich geritten, hier reinzugehen, fragte er sich, als er noch in der Nähe der Tür, aber immerhin schon in der Markthallenkneipe stand und mit einem Blick die ganze traurige Wahrheit erfaßte: daß es nämlich überhaupt keinen Sinn ergab, an einem Sonntag die Markthallenkneipe aufzusuchen, was auch ein Grund dafür war, daß er den Sonntag an sich so sehr haßte, weil ihm nämlich an den Sonntagen der naheliegende Weg aus seiner Wohnung heraus und in die Markthallenkneipe hinein immer durch eine geradezu unmenschliche Ansammlung von Frühstückern, die sich hier immer sonntags wie auf ein Kommando einfanden, verleidet wurde.
    Es ist unmöglich, dachte Herr Lehmann, während er völlig sinnlos in der Nähe der Tür stand und den Raum links von ihm und die darin befindlichen Menschen beobachtete, sich hier auch nur zehn Sekunden lang aufzuhalten, dieser Frühstückskram macht alles kaputt, wie er jeden Sonntag alles kaputtmacht, dachte er und blickte der Vollständigkeit halber noch einmal in die andere Richtung, nach rechts, wo es zu den Toiletten ging und wo nur wenige Tische standen, die aber, wie zu erwarten, ebenso besetzt waren von Frühstückern, wie überhaupt nach Herrn Lehmanns Beobachtung alle Kneipen der Stadt an den Sonntagen besetzt waren von Frühstückern. Der Frühstücker, dachte er zerstreut, während er einem mageren Mädchen, das er komischerweise gar nicht kannte und das sich mit einem riesigen Tablett an ihm vorbeiquälte, auswich, ist ja der Feind an sich, und es ist sonntags immer Frühstückszeit, dachte er, jedenfalls bis 17 Uhr, auch in der Markthallenkneipe, obwohl sie behauptet, auch Restaurant zu sein, was es in diesem Fall nicht besser macht, dachte Herr Lehmann.
    Eine Kneipe, die auch Frühstück serviert, sollte sich nicht Restaurant nennen dürfen, dachte Herr Lehmann, während er noch immer nichtsnutzig in der Nähe des Eingangs stand und sich nicht wenig blöd dabei vorkam, es ist unwürdig, wenn Köche, so denn diese sogenannten Restaurants überhaupt richtige Köche beschäftigen, sich mit dem Aufstapeln von Käse- und Wurstscheiben auf Tellern beschäftigen. Und schlimm ist es auch für die Leute hinter dem Tresen, dachte er, die durch die Frühstücker so dermaßen beansprucht werden, daß sie nicht einmal ihre Freunde und Kollegen bemerken, wenn diese in der Nähe des Eingangs stehen und sich nicht

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