Herr Lehmann
klingt so negativ, das kann man jetzt bei Karl nicht bringen, dachte er, man müßte positiver sein, irgendwie besser gelaunt, dachte Herr Lehmann.
“Quatsch, da ist doch noch Platz genug”, widersprach ihm sein bester Freund Karl, “setz dich doch einfach irgendwo dazu!”
“Das ist doch Scheiße, dazusetzen.”
Sein bester Freund Karl seufzte. “Da hinten, der große Tisch, da sitzt nur ein einziger Typ dran.”
“Hab ich jetzt keinen Bock drauf”, sagte Herr Lehmann, dem seine Aufsässigkeit sehr unangenehm war. Aber der Gedanke, mit einem Fremden, selbst wenn der nicht frühstückte, am selben Tisch zu sitzen und am Ende sogar noch angesprochen zu werden, und sei es nur auf die ganz blöde Tour wie “Kannst du mal den Aschenbecher rüberschieben” oder so, war ihm noch viel unangenehmer. Der Tag hatte durch den Anruf seiner Mutter schlimm begonnen, und wenn er es recht bedachte, hatte der Tag davor auch schlimm geendet, und er wollte ja nicht viel, nur seine Ruhe und eine kleine Ecke für sich allein.
Sein bester Freund Karl seufzte. “Dann nimm halt den kleinen Zweier dort”, er wies auf einen ganz kleinen Tisch mit zwei Stühlen in der Nähe der Schwingtür zur Küche, “der ist ja nun wirklich frei.”
“Nein, nein, das geht nicht”, sagte Herr Lehmann, “der ist fürs Personal, “das kann ich wirklich nicht machen …”
“Frank!” sagte sein bester Freund Karl resolut. “Halt jetzt die Klappe und setz dich dahin.”
“Kann ich nicht bringen”, sagte Herr Lehmann, der sich auf seine Prinzipien allerhand zugute hielt. “Was sagen denn dann die anderen, mit so was soll man gar nicht erst anfangen.”
“Heidi”, rief sein bester Freund Karl zu der Frau hinüber, die in diesem Moment mit einem Messer in der Orangensaftpresse herumstocherte. “Hast du was dagegen, wenn Herr Lehmann sich an den kleinen Tisch setzt?”
“Nerv mich jetzt nicht”, rief sie zurück, ohne aufzusehen.
“Interessiert kein Schwein”, sagte sein bester Freund Karl.
“Sag mal”, lenkte Herr Lehmann, dem jede Sonderbehandlung zuwider war, obwohl er in diesem Fall, das mußte er sich eingestehen, ein bißchen auf den kleinen Personaltisch spekuliert hatte, schnell ab, “was machst du eigentlich hier?” Und wieso bist du so gutgelaunt, hatte er anhängen wollen, tat es aber lieber nicht, weil er dann hätte zugeben müssen, selbst eher schlechtgelaunt zu sein, und das würde ihn noch weiter ins Unrecht setzen, als es schon dadurch der Fall war, daß er einen Tisch okkupierte, der dem Personal vorbehalten war.
“Bin eingesprungen”, sagte sein bester Freund Karl fröhlich, “direkt aus dem Orbit hierher, war gar nicht mehr im Bett. Erwin hat mich um neun am Telefon erwischt, da kam ich gerade nach Hause. Ich weiß auch nicht, wie der das immer macht.”
Herr Lehmann musterte neugierig das Gesicht seines besten Freundes, was nicht so einfach war, weil dieser jetzt wieder mit Feuereifer Gläser spülte. Herr Lehmann konnte keinerlei Müdigkeit darin erkennen, was schon deshalb seltsam war, weil sein bester Freund Karl auch schon so alt war wie er selbst. Ich sollte ein härterer Knochen sein, dachte Herr Lehmann, so wie Karl, der würde sich niemals durch einen Hund und einen Anruf seiner Mutter aus der Bahn werfen lassen, darum nennt ihn auch niemand Herr Schmidt, dachte Herr Lehmann und fühlte sich dadurch nur noch elender.
“Ich setz mich dann mal hin”, sagte er. Karl nickte nur, und mit müden Knochen schleppte Herr Lehmann sich an den kleinen Tisch, der eigentlich dem Personal vorbehalten war.
“Der ist nicht frei, der ist nur fürs Personal”, sagte das magere Mädchen, das ihm vorhin schon aufgefallen war, und das er nicht kannte.
“Sag ich doch”, murmelte Herr Lehmann und stand, rot geworden, wieder auf.
“Das ist okay”, sagte Heidi, die in diesem Moment vorbeikam. Herr Lehmann darf das.”
“Herr Lehmann?!” sagte das dürre Mädchen mit einem, wie Herr Lehmann fand, unangemessen ironischen Unterton. “Herr Lehmann, aha! Arbeitest du auch hier?”
“Ich arbeite auch für Erwin, aber ich will wirklich nicht …”, sagte Herr Lehmann, dem das jetzt unangenehm war, zumal er allgemeine Aufmerksamkeit erregte, an den Tischen ringsum wurden die Köpfe gehoben, man starrte ihn geradezu an, und Herr Lehmann hatte nicht übel Lust, das Wort an diese Leute zu richten und etwas zu sagen, was ihm, wie er wußte, später leid tun würde, weshalb er es auch nicht tat. Heute ist
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