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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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noch?
    Wolfgang atmete schwer. Sein Mund bewegte sich tonlos, wie von selbst. Schließlich räusperte er sich. »Ich ersuche höflichst, nun nach Hause gehen zu dürfen.«
    »So, und wo ist das, Ihr Zuhause?« Der Beamte sah auf seine Armbanduhr.
    »In Wien.«
    »In Wien, aha. Die Adresse bitte.«
    »Das ist nicht so leicht getan, indes …«
    »Meine Güte!« Der Beamte schlug sein Notizbuch mit lautem Knall auf einen Tisch. »Jetzt reicht es! Warum immer ich? Es ist Freitagabend, ich will auch nach Hause, Marandjosef! Jetzt sagen Sie mir doch einfach Ihren Namen.«
    Wolfgang suchte den Blick des Beamten. Was auch immer er diesem Mann erzählen mochte, es hätte doch nichts Bestand denn die Wahrheit. Längst war es ihm zuwider, sich unter Lügen winden zu müssen, und wie ein altes, lange gelobtes Land lag der feste Boden der Wahrheit vor ihm. Wolfgang lächelte.
    »Mozart.«
    »Mozart?«
    »Jawohl«, bekannte Wolfgang leise. »Joannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus Mozart. Geboren zu Salzburg am 27. Jänner 1756. Wenn ich nun bitte gehen dürfte?«Der Blaue starrte ihn an, griff sich an die Nasenwurzel, rieb sie kräftig und barg den Mund hinter seinem Handteller. Er schien nach Luft zu schnappen, bevor er weitersprach: »Alles klar. Mozart. Prima. Ist leider genauso tot wie dieser Pallouwasweißich.« Er kam näher auf Wolfgang zu und bohrte ihm den ausgestreckten Zeigefinger in die Brust. »Ihren
richtigen
Namen will ich.«
    »Das ist mein richtiger Name. Doch nimmt es nicht wunder, so man mir nicht glauben will, allein, es ist die Wahrheit, folglich ich gezwungen war, mir einen andern, minder geläufigen Namen zu wählen, welchen ich seit bald einem Jahr trage und …«
    »Seit einem Jahr?« Der Beamte schnaufte. »So. Und welchen Namen hatten Sie vorher?«
    »Den richtigen! Wolfgang Amadé Mozart. Nur war ich bis dahin dort, wo man mich als den kannte, der ich bin.«
    »Gut. Einverstanden, Herr Mozart.« Der Blaue nickte milde und lächelte Wolfgang aufmunternd an. »Dann sollten wir doch alles daran setzen, dass Sie auch ganz schnell wieder dorthin zurückkommen.«
     
    Wolfgang starrte durch die Scheibe. Die Stadt floh an ihm vorbei, der Chor der Wassertropfen ruckte in einem schleppenden Rhythmus über das Seitenfenster des Ambulanzwagens. Dann und wann ballten sich einige von ihnen zusammen, lösten sich in dicken Tropfen aus der Menge und rutschten als ungeschlachte Melodie über die anderen hinweg.
    Ins Otto-Wagner-Spital werde man ihn bringen, war ihm gesagt worden. Dort könne ihm geholfen werden. »Ich bin nicht krank«, hatte er immer wieder bekräftigt, doch offenbar war diese Möglichkeit nicht vorgesehen.Sie fuhren beständig bergan, längst lag die innere Stadt weit zurück. Er versuchte sich zu entsinnen, wann er zuletzt so viele Bäume beieinander gesehen hatte. Der Wagen passierte eine Einfahrt, rollte dann langsam durch nasses honiggelbes Laub, das wie feucht gewordene Briefmarken am Boden klebte, und hielt schließlich vor einem weiten Gebäude von der Farbe dunklen Linnens. Wolfgang stellte sich vor, wie ansprechend es ausgesehen haben musste, bevor der Anstrich von den Fensterflügeln geblättert war. Drinnen roch es nach Kohlsuppe und altem Putz.
    »Neuaufnahme, ein NN zu Dr. Groß.« Damit war der Grellbekittelte verschwunden.
***
     
    Anju nahm den letzten Schluck aus der geblümten Teetasse und beugte sich über den dicken Systematikwälzer, lehnte sich im Sessel zurück und starrte in den trüblichtigen Nachmittag hinaus. Es gelang ihr kaum, sich zu konzentrieren. Unablässig hatte sie damit zu tun, ihre Gedanken auf etwas anderes als auf Wolfgang, seine Briefe, sein Geständnis, seine verlorenen Zärtlichkeiten zu richten. Entschlossen griff sie nach ihrem Bleistift. Sie würde ihn vergessen, musste ihn vergessen, auch wenn es noch so schwerfiel.
    Tatsächlich riss das Klopfen an ihrer Zimmertür sie kurz darauf aus der Arbeit.
    »Bist du da?« Jost machte sich nicht die Mühe, ihre Antwort abzuwarten, sondern trat ungebeten ein.
    Anju antwortete, ohne aufzusehen: »Wie du siehst. Was gibt es?«
    »Sag mal, dein neuer Lover, wie heißt der eigentlich?«
    »Raus!«
    »Und mit Vornamen?«
    »Verschwinde.«
    »Hey, ich hab doch bloß ganz lieb gefragt, kann ich ja nicht wissen, dass er schon wieder auf deiner roten Liste steht …« Jost tänzelte ins Zimmer. »Umso besser. Dann hast du jetzt bestimmt ein bisschen Zeit für mich.« Er griff nach der leeren Teetasse und hielt sie sich

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