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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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vor den Schritt. »Na, was ist, soll ich mal …?«
    »Stell die sofort wieder hin und hau ab.«
    »Ach komm, sag mir einfach nur, wie er heißt, dein Compositeur.«
    Zornig sprang Anju auf. »Raus jetzt und wag dich nie wieder hier herein!« Mit einem Schubs beförderte sie ihn zur Tür hinaus und drehte den Schlüssel um.
***
     
    »Guten Tag.« Eine Frau trat Wolfgang entgegen, nickte knapp, aber freundlich. Sie war beinahe so klein wie er und wirkte eigentümlich konserviert, Wolfgang hätte sie auf dreißig, ebenso gut aber auf fünfzig Jahre schätzen können. »Ich bin Dr. Groß, die Leiterin dieser Station. Wir möchten Sie gerne untersuchen.« Sie schickte ihn in einen Raum, der so nackt war, dass die Stimmen darin hallten. »Wie soll ich Sie ansprechen? Können Sie mir Ihren Namen sagen?«
    Wolfgang war, als hätte sie nicht zu ihm, sondern zu einem anderen gesprochen. Er war nicht gemeint und wusste keine Antwort.
    Irgendwo im Haus schrie jemand erbärmlich, schlimmer noch als ein Weib bei der Niederkunft, ja fast wie eine Sau beim Schlachten. Wolfgang hielt den Atem an, seine Hände und Füße wurden feuchtkalt. »Dies ist das Tollhaus, nicht wahr?«
    Sie verneinte, schloss dabei kurz die Augen. »Sie sind in der psychiatrischen Akutstation des Otto-Wagner-Spitals. Wissen Sie, warum man Sie hergebracht hat?«
    Ja und nein. Er wusste, dass er keinen seiner Namen hätte nennen dürfen. Auch nicht den letzten, der ihm geblieben war, bei dem er gehofft hatte, Zuflucht zu finden. In Wahrheit passte keiner mehr, nun, da ihm der neue längst besser gefiel als der alte. Unentschlossen nickte er und schüttelte gleichzeitig den Kopf, spürte, dass sein Schädel nur zaghafte, wacklige Kreise beschrieb.
    »Wie wollen Sie, dass ich Sie nenne?«
    »Mein Name ist Mozart, Wolfgang Mozart.«
    »In Ordnung. Haben Sie irgendwelche Angehörigen? Eine Ehefrau, Kinder, oder leben Ihre Eltern noch?«
    »Alle tot.«
    »Möchten Sie vielleicht sonst jemanden informieren, dass Sie hier sind?«
    Piotr.
    Piotr war in Polen. An einem Ort, der mit M begann. Wie hätte er ihn finden sollen? Das Telefon hatte Piotr zurückgelassen, falls jemand Wolfgang erreichen wollte. Piotr. Hätte Piotr nur da sein können, Piotr, der so verwurzelt war in dieser Welt, dass Wolfgang sich an ihn klammern konnte. Anju zu bemühen stand außer Frage. Wer sonst hätte kommen und ihn herausholen können aus diesem Hospital, in das er hineingeworfen war, als hätte man ihm die Leinen gekappt. Czerny? Adrian? Liebermann? Scham überkam ihn. Nein. Niemand.
    »Herr Mozart, waren Sie schon einmal in einer psychiatrischen Einrichtung?«
    Wolfgang hob langsam die Schultern. Die Ärztin fragte weiter, fragte nach Beruf, Arbeit, Freunden, fragte, ob er sich schon verlaufen habe oder zuweilen etwas vergesse. Sie schien sich an keiner Antwort zu stören und legte schließlich den Stift beiseite, mit dem sie geschrieben hatte.
    »Ich … danke Ihnen vielmalen«, sagte Wolfgang leise. »Sie sind der erste Mensch, der mir Glauben schenkt.«
    Er spürte ihren Blick, fest und ruhig. »Herr Mozart, ich glaube, dass alles, was Sie gesagt haben, der Wahrheit entspricht. Ihrer Wahrheit. Aber meine Wahrheit – und die der meisten anderen Menschen – ist eine andere. Sie werden ein paar Tage bei uns bleiben, Herr Mozart, und vielleicht gelingt es uns ja, herauszufinden, welche Wahrheit der Wirklichkeit entspricht.«
     
    Ein Mann in weißem Kittel kam, Wolfgang gab auf und entkleidete sich, wie es ihm aufgetragen wurde. Der Arzt betrachtete und betastete ihn eingehend, fragte nach Erkrankungen und Dingen, von denen Wolfgang nicht wusste, was sie bedeuteten. Er durfte sich wieder ankleiden und wurde schließlich in ein anderes Zimmer gebracht.
    »Ich möchte nach Hause gehen«, verlangte er mit Nachdruck, »ich habe zu arbeiten.«
    Man sagte ihm, dass er dableiben müsse, und wieder war ihm, als gelte das Gesagte nicht ihm, sondern einer anderen, fremden Person. Er stand auf, griff nach seiner Jacke und ging festen Schritts auf den Gang hinaus, doch jemand hielt ihn am Arm, brachte ihn in das Zimmer zurück. Kleider wurden ihm gereicht, er hörte das metallische Schnarren des Türschlosses. Vor dem Fenster zappelten letzte Blätter an knorrigen Zweigen, der Himmel färbte sich tintenblau.
    Langsam sank er auf das hohe Bett, es quietschte wie ein Gartentor im Herbst, er umschlang die Knie, seine nackten Füße stocherten unter der Decke nach Wärme. Wieder hörte er die

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