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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Pizzaschachtel, die auf dem Herd lag. Sie war gar nicht leer, argwöhnisch hielt er die Nase daran und riss schließlich die Perforation auf. Eine staubige grüngraue Scheibe in Plastikfolie rutschte heraus. Piotr trat sie in den Eimer und sah sich genauer im Zimmer um. Irgendetwas stimmte nicht.
    Sein Handy fand er auf der Fensterbank, der Akku war leer. Er hörte die Mailbox ab, fand vier Nachrichten für Wolfgang aus dem
Blue Notes
, eine davon vom Chef persönlich, zwei von Wolfgangs neuer Konzertagentur, eine von Piotrs kleiner Tochter, die ihm mitteilte, dass er das Bild vergessen habe, das sie ihm gemalt hatte, und einige Anrufe, deren Herkunft herauszufinden er sich später die Mühe machen würde.
    Als er kurz darauf an die Glastüre zum
Blue Notes
klopfte, sah er den schwarzen Barmann nur kopfschüttelnd auf sein Handgelenk zeigen.
    »Wolfgang! Gdzie jest Wolfgang?« Fragend hob er die Arme, klopfte wieder gegen die Scheibe und bewegte die Hände, als spiele er Klavier.
    Der Schwarze entriegelte die Tür. »Sorry, ich hab dich nicht erkannt, du bist Piotr, der Geiger, stimmt’s?«
    Piotr nickte. »Wo ist er?«
    »Keine Ahnung, er fehlt hier seit bald zwei Wochen. Ist … was passiert?«
    »Weiß ich nicht, bin ich zurückgekommen von Polen erst vor eine Stunde, und war er bestimmt nicht in Wohnung letzte Tage – na ja, mache ich mir Sorgen, jetzt.«
    »Scheiße. Keine Nachricht?«
    »Nein, aber hat er wieder gehabt Frau, wieder neue.«
    »Hm, hab ich mitgekriegt, die war sogar mal hier.« Er sah Piotr aus gespenstisch weißen Augen an, grinste schief. »Da mach dir also mal keine Sorgen mehr. Höchstwahrscheinlich wird er irgendwann wieder auftauchen. Dass es länger als vier Tage dauert, ist doch schließlich nur ein Hinweis darauf, dass es dieses Mal was Ernstes ist.«
***
     
    »Wann darf ich endlich nach Hause?«
    »Herr Mozart, solange wir nicht wissen, wo das ist und wie Sie dort zurechtkommen können, muss ich Sie hier behalten. Aber es ist in unserem Interesse, dass Sie so bald wie möglich wieder am Leben draußen teilnehmen. Vielleicht freut es Sie, zu hören, dass Sie in der Zwischenzeit das Klavier in unserem Theatergebäude nutzen können.«
    Wolfgang horchte auf. »Gewiss, das will mir eine rechte Freude sein, so es ein ordentliches Instrument ist …«
    »Na ja, ich will mal hoffen, dass es Ihren Anforderungen genügt, wir nutzen es jedenfalls immer für Aufführungen – jetzt in der Adventszeit könnten Sie vielleicht ein bisschen für die anderen Patienten spielen?«
    Noch am gleichen Tag bekam Wolfgang Geleit und fand in einem Saal ein recht burschikoses Piano, doch sauber gestimmt, nahm gleich Platz und spielte, bis jemand das Licht anstellte.
    Wolfgang wandte sich um. Da saßen mit einem Mal Menschen in drei Reihen, nur wenige davon hatte er bereits gesehen. Sie starrten ihn an, einer wackelte fortwährend mit dem Kopf, als habe er den Takt zu schlagen, und erst nach einer Weile stampfte einer im Stakkato auf den Boden und schrie heiser: »Bravo, bravo!«
    Einige fielen in die Rufe ein, andere scharrten mit den Füßen. Daraufhin stand einer auf, ein ganz langer, die braunen Haare standen ihm im Nacken vom Kopf ab, und kam auf Wolfgang zu, schob sich neben ihn auf die gepolsterte Bank und begann mit seltsam steifen Fingern auf den Tasten herumzuspazieren, strahlte Wolfgang dabei mit unbändiger Freude an.
    Der Lange spielte, wie einige hier sprachen, wirr, unverständlich und ohne Takt. Es brauchte eine Weile, bis Wolfgang verstand und mit gutem Willen jene Serenade erkannte, mit der Piotr einst die Touristen beschworen hatte, jene Serenade, die längst zum Überdruss allerorten zu klingen schien und der niemand mehr anhörte, warum er sie einst hatte komponieren müssen: um nach einem Wortwechsel vor Ohren zu führen, dass ein Weniger ein Mehr sein konnte, dass die reine und wahre Kunst darin bestand, nur dasjenige zu verwenden, wessen es unabdingbar bedurfte. Ja, dass derjenige der größte Künstler sich nennen durfte, der auf allen Schmuck und Tand verzichtete und das Eigentliche, Reine der Musik zum Vorschein brachte.
    Er stimmte ein in jenen kruden Tanz von ungelenken Fingern, verband und verwob, scherzte und stolperte, lärmte und alberte, bis der Lange einhielt, und spielte schließlich allein fort, führte das ganze Thema durch mit neuen Gedanken, hob es hinaus und trug es wieder zurück, dorthin, wo alles begonnen hatte.
    Schließlich erhob er sich, verbeugte sich, und

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