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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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oder zog, Türen öffnete und Treppen zum Laufen brachte, so dass man selbst nicht einmal mehr die Füße zu bewegen hatte.
    »Fährt es – ganz von allein?«, fragte er Piotr vorsichtig.
    »Was meinst du?«
    »Dies Fuhrwerk hier.« Er klopfte mit der Hand gegen die Sitzbank.
    Piotr legte den Mund in Falten, schien nachzudenken. »Ist bestimmt Lokführer drin. Gibt es aber schon ohne, irgendwo, vielleicht Japan oder so.«
    Wolfgang gab sich Mühe, ein gescheites Gesicht aufzusetzen. »Wohin kann man damit fahren?«
    Piotr wies auf eine Tafel oberhalb des Fensters, auf der sich bunte Linien um ein unsichtbares Zentrum flochten. »Fast ganze Stadt.« Er schwieg eine Weile, sah Wolfgang an und nickte leise. »Bist du auch von Land gekommen.« Er schien keine Antwort zu erwarten. »Bin ich vor zwei Jahren erstes Mal hier gewesen. Ganz allein. Hab ich auch nix verstanden.« Sein Lächeln war das eines Großvaters, der sich seiner Jugend erinnert. »Alles so groß. Hab ich gewünscht, jemand zeigt mir ganze Stadt.« Er nickte wieder, zog Wolfgang zum Ausgang, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter. »Machen wir Rundfahrt, morgen. Zusammen. Du und ich.«
    Doch als Wolfgang anderntags erwachte, fiel statt des Schnees ein Schnürlregen, der, noch als er in der Luft war, schon schmutzigbraun schien und beständig auf Piotrs blechernes Fensterbrett tremolierte.
    Piotr schüttelte energisch den Kopf. »Geh ich nicht weiter als zu Billa heute, przyjaciel.«
    »Schad!« Wolfgang starrte aus dem Fenster. Es drängte ihn, Straßen und Plätze zu erkunden, Altes und Neues zu entdecken und zu sehen, was von seinem Wien Bestand und was bereits der Teufel geholt hatte. Wenn Piotr allerdingseiner Dame seinen Besuch abstatten wollte, durfte er ihm bei keinem Wetter im Wege stehen.
    »Kommst du besser mit, weißt du gleich, wie es geht, wenn du bist allein hier.«
    Wolfgang fuhr herum, grinste. »Schau an, so ein Schelm ist er! Meinen besten Dank, doch ich habe bereits reichlich Erfahrungen machen dürfen.« Aber dann hielt er inne. Vielleicht hatte Piotr nicht unrecht. Die Frauenzimmer, denen er in den vergangenen beiden Tagen in den Straßen und Lokalen begegnet war, sahen nicht nur vollkommen anders aus, als es ihm vertraut war – entweder halbnackt oder von Männern nicht zu unterscheiden –, sondern verhielten sich auch auf eine Weise, die ein paar Instruktionen nicht unangebracht erscheinen ließ. »Indes – wenn sie recht hübsch ist …«
    »Wer?«
    »Wie nanntest du sie gleich? Billa?«
    »Sehr hübsch, Kassiererin!« Piotr lachte auf. »Komm jetzt, will ich kaufen Brot, und Milch ist auch fertig.«
     
    Staunend lief Wolfgang zwischen endlosen meterhohen Regalen hindurch, blieb allenthalben stehen, reckte und bückte sich und betrachtete die Fülle dessen, was dort feilgeboten wurde. Man hatte den Marktplatz kurzerhand in ein Gebäude verlegt, was ihm angesichts der winterlichen Witterung nur allzu klug erschien. Er erinnerte sich kaum, Constanze einmal zum Einkauf begleitet zu haben, sie hatte ohnehin meist das Mädchen geschickt. Wie anders es doch hier aussah: Offenbar war es in Mode, alles in eine Art gläsernes Papier zu hüllen, sogar Erdäpfel und Brote glänzten unter dieser klebrigen Haut. Wolfgang packte der Appetit, und so lud er Schinken und Würste, Brezeln, Kuchen und Früchte, die er nie zuvor gesehen hatte, in den blitzenden Korb, den Piotr vor sich her schob.
    »Ist genug. Kannst du niemals essen alles.«
    »Oh, ich …« Wolfgang blieb stehen. Vor ihm erhob sich eine Wand, kaum größer als er selbst, von der bunt bemalte, goldverzierte Schachteln herabglänzten. »Was ist das?«
    »Mozartkugeln. Kennst du nicht?«
    »Mo-zart-ku-geln? Ha!« Wolfgang schlug sich auf die Schenkel, schraubte sich einmal um sich selbst. »Das ist gut! Mozartkugeln. Zum Kugeln ist das! Sag, kann man es essen?« Er griff eine Schachtel nach der anderen heraus, runde, längliche, quadratische, sogar in Form einer Violine, bis Piotr sie ihm wieder fortnahm.
    »Hörst du auf, ist viel zu teuer, diese Zeug, kaufst du Tafel Schokolade, ist billiger.«
    »Aber Piotr, den Mozart wirst du mir nicht versagen können, lieber Freund, den lass ich nicht aus, bis ich ihn gefressen hab, den Mozart! Haha!« Er kramte in seiner Hose und förderte den zerknitterten braunen Schein zutage, den er am Vorabend verdient hatte.
    Piotr ließ von ihm ab und begann kopfschüttelnd, die Einkäufe aus dem Korb auf einen schwarzen Tisch zu legen, auf dem

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