Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)
wie.«
»Bist du anstrengend, przyjaciel!« Piotr seufzte. »Weiß ich nicht genau, wie geht. Irgendwie mit Einstein und muss man fahren in Raumschiff um Erde sehr schnell. Ist aber alles Quatsch.« Der Geiger winkte abwehrend. »Hab ich gelesen von russische Astronaut, ist zwei Jahre gewesen auf Raumstation und hat nur Zeitreise gemacht von halbe Sekunde oder so.«
Es war zwecklos. Jede Antwort, die Piotr ihm gab, warf ein Vielfaches an Fragen auf. »So ist wohl einzig Gott der Herr imstande«, sprach er, mehr zu sich selbst denn zu Piotr, »uns an jeden Ort zu bringen, an dem wir von bestem Nutzen sind.«
»Gott kann alles, braucht er keine Zeitmaschine.«
»Zeitmaschine?« Wolfgang horchte auf. »Was ist das? Was hat es damit auf sich?«
»Blödsinn, gibt nur in Film. Kann man nicht bauen, geht nicht.«
»Und warum nicht?«
»Ah, bin ich Musiker, keine Techniker.«
»Ha, fürwahr! Ein Musikus! Und der Tag ist beileibe nicht zu Ende. Also verrate mir rasch, wie Musik auf die Silberscheiben kommt und wieder herunter.«
Piotr verzog das Gesicht zu einem Grinsen. »Hast du gewonnen, przyjaciel. Hab ich viel Durst jetzt und Idee, wo wir gehen hin.«
Recordare
Inter oves locum praesta,
Et ab haedis me sequestra,
Statuens in parte dextra.
Das
Blue Notes
befand sich in einem Gewölbe, das einer mittelalterlichen Priorei Ehre gemacht hätte. Die Wände und Pfeiler dort waren blau angestrahlt und tauchten das Lokal in gespenstisch kühles Licht. Wolfgang sah indes außer Ellbogen und Rücken nur blau leuchtende Linien im schwarzen Fußboden und war froh, dass Piotr ihm einen Weg quer durch die Menge bahnte, hin zu einem ebenso blau leuchtenden Tresen. Die Luft war dick vom Tabakdunst.
»Warum zahlt man derarten teuer für ein Einlassbillet, um hier im Qualm zu stehen?«
»Wirst du hören gleich, tolle Musik.«
Wolfgang versuchte angestrengt, aus den Musikfetzen, die es durch den Lärm der Menge an sein Ohr schafften, etwas herauszuhören. Mit skeptischem Blick ließ er sich ein Bier reichen.
Mit einem Mal flammten weitere Lichter auf, diesmal gelbe, und beleuchteten eine kleine Bühne, auf der sich drei Musiker postierten. Wolfgang hätte sich auf die Zehenspitzen stellen müssen, um mehr als deren Schöpfe zu sehen, doch das ließ sein verletzter Ballen noch immer nicht zu. Er konnte hören, wie sie ihre Instrumente stimmten. Das wollte ein rechter Katzenjammer werden – der Flügel klang so dumpf und körperlos, als läge eine Pferdedecke auf den Saiten, am Contrabasso zupfte jemand willkürlich mit den Fingern herum. Beifall brandete auf, und Wolfgang sah sich irritiert um. Das war keine Musik, die des Beifalls wert gewesen wäre, allenfalls ein Durcheinander von schrägenTönen, ohne das mindeste System aneinandergereiht! Er verschränkte die Arme vor der Brust.
Dann aber, unerwartet, schwebte ein erhabener Ton über dem Ganzen, gleich einem Klarinettenklang, leicht und vibrierend, stark und doch nachgiebig, wurde zu einer waghalsigen Melodie. Wolfgang hielt den Atem an. Das war anders als alles, was er kannte, frei von allem, was ihn bisher begrenzt hatte! Kindliche Freude überkam ihn, als er begriff, wie diese Musik funktionierte. Er stellte sich mit den Fersen auf die Streben seines Barhockers, um die Zauberklarinette zu sehen, die diese unverschämt körperlichen, ja geradezu geilen Töne hervorbrachte. Lustvoll, hauchig und weich, nahmen sie seinen ganzen Körper ein. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das funkelnde Instrument, das aussah wie das Resultat der Vermählung eines Krummhorns mit dem Messkelch im Stephansdom. Ein goldenes Bassetthorn!
»Was ist das für ein Instrument?«, wollte er aufgeregt von Piotr wissen.
»Saxophon?« Piotr grinste und tippte triumphierend auf die kleine Uhr, die er am Handgelenk trug. »Ist Mitternacht vorbei, stellst du keine dämliche Fragen mehr!«
Lachend setzte Wolfgang das Glas auf dem Tresen ab und schob sich näher an die Bühne heran. Sax-o-phon. Akribisch beobachtete er den Musiker und nahm die Eigenheiten des funkelnden Tonwerkzeugs in sich auf, von dem der Bläser noch eine kürzer geratene Version mit höherer Tonlage bei sich trug, die er gegen die andere nach Erfordernis wechselte. Eine kribbelige Unruhe machte sich in ihm breit, er begann, mit den Fingern zu zappeln, und ihm war klar, dass er die nächsten Tage mit nichts anderem verbringen würde, als die wunderbarste Musik für dieses phantastische Spielzeug zu
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