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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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vermochte.
    »Zurückbleiben«, tönte eine körperlose Stimme, als spräche sie durch den Trichter eines riesigen Horns. Unter anschwellendem Surren setzte sich der Wurm wieder in Bewegung, wurde schneller und schneller und schoss zur anderen Seite der Katakombe in den schwarzen Stollenschlund hinein.
    Piotr schubste, mit nur mehr lascher Bewegung, Wolfgangs Arm von sich und rückte seinen Geigenkasten zurecht. »Was machst du, Mann! Hab ich Hunger und keine Zeit zum Essen mehr jetzt! Dauert dreizehn Minuten, bis kommt Nächste. Aber steigst du sofort ein, dieses Mal!«
    »So gibt es derer mehrere?« Wolfgang stierte reglos dem Ungeheuer hinterher, sein Herz schlug noch immer diePauke. Und Piotr erwartete von ihm, dass er sich von einem solchen Wurm fressen ließe. »Wohin wird er uns bringen?«
    »Müssen wir Museumsquartier, heute.«
    »Und … du hast es schon des Öfteren getan?«
    »Ist vierte oder fünfte Mal heute, glaube ich. Wirt ist nett und gibt gute Gäste. Hab ich gekriegt einmal vierzig Euro Trinkgeld.«
    Wolfgang nickte, so unbeteiligt er konnte, versuchte, seine Gedanken zu sortieren. Atmete tief. Offenbar gab dieser grausliche Wurm Piotr nicht den mindesten Anlass zur Sorge. Es war folglich nichts weiter denn eine Ordinaire, ein Fuhrwerk, ebenso wie die Toyotas, die wohl zu Tausenden in den Wiener Straßen umherkutschieren mochten, vor denen er sich am gestrigen Morgen noch erschreckt hatte und die sich schließlich als so überaus komfortabel erwiesen hatten. Wie viel bequemer reiste es sich darin doch als in den Wagen, deren er sich bisher bedient hatte und die über die Wege schlugen, dass einem am Abend der Hosenboden schmerzte wie einem Lausbuben, der selbigen hatte versohlt bekommen. Erneut kam Dröhnen auf, wurde lauter, schriller, und Wolfgang spürte seinen Atem wieder schneller gehen. Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück.
    »Hast du Klaustrophobia, vielleicht?« In Piotrs Miene mischte sich nun Anteilnahme, dennoch stöhnte er leise auf.
    Wolfgang hob die Schultern, was auch immer das sein mochte, er verfügte vermutlich nicht darüber, außer den Kleidern an seinem Leib und der Musik in seinem Kopf gab es schließlich nichts mehr, das er sein Eigen hätte nennen können.
    »Okay, machst du einfach Augen zu, nehme ich deine Arm.« Er hielt Wolfgang fest und lotste ihn auf das Fuhrwerk zu, das weniger wie ein Wagen als vielmehr wie ein langes, niedriges Haus vor ihnen stand und Menschen verschluckte.
    »Nur paar Stationen.« Beschwichtigend klopfte Piotr ihm gegen den Oberarm, während sie das Innere betraten, nahm dann sein Instrument von der Schulter und lehnte sich gegen eine niedrige Wand gleich neben der Türe, die sich mit einem furzenden Geräusch ganz von allein schloss.
    Von schauriger Faszination ergriffen, starrte Wolfgang auf die sich langsam zusammenfügenden Türflügel. Es war tatsächlich niemand da, der sie hätte geschlossen haben können! Ruckartig setzte sich der Wurm in Bewegung, Wolfgang taumelte, trat ins Leere, verlor das Gleichgewicht und spürte sich wie ein Wurfgeschoss durch den Gang stürzen. Mit den Armen ruderte er um Halt, bekam endlich eine der Stangen zu fassen, die neben den Sitzbänken aufragten, und schlingerte darum herum. Hui, was für ein Tempo! Wolfgang sah sich grinsend um, lachte auf, fing sich und klatschte begeistert in die Hände. Schon sah er wartende Menschen am Fenster vorbeifliegen und musste sich an die Stange klammern, diesmal zog es ihn in die andere Richtung, dann stand der Wurm still, und die Türen pupsten wieder auf. Nun war ihm klar, wozu Schlaufen von der Decke hingen. Er versuchte, eine zu greifen, musste sich recken, um hinaufzureichen.
    Piotr tauchte neben ihm auf, sein Lächeln war so dünn, dass Besorgnis darunter durchschimmerte. Er hieß Wolfgang sich setzen wie ein Arzt, der einen Schwerkranken zur Bettruhe mahnte. Wolfgang musterte den Geiger von der Seite, offenbar war dieser Höllenwurm Piotrs gewohntes Mittel, sich fortzubewegen. Der Wurm fuhr wieder an, bald darauf wurde draußen alles schwarz. Keinen der Insassen schien es zu stören, pfeilschnell durch unterirdische Gänge zu schießen, während über ihnen Häuser und Straßen lasteten. Aufs Neue blitzten draußen Lichter auf, sah Wolfgang Menschen stehen, ein- und aussteigen und spürte ein vages, angenehm gruseliges Prickeln. Was für ein Spaß das doch war, wenn man es recht betrachtete! Zu gerne hätteer gewusst, welche unsichtbare Kraft das Vehikel schob

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