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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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Seminar lachen sich tot über so was.«
    »Kein Problem, nimm’s halt mit, wenn’s eh Müll ist.« Gernot schob die zusammengerollten Papiere vorsichtig in die Innentasche seines Jacketts. Dann hatte er endlich ein Glas gefunden.
***
     
    Als Wolfgang wieder nach Hause fand, waren seine Beine müde vom langen Umherirren. Doch war es nicht die Dauer, vielmehr die Beschaffenheit des Weges, die ihmzusetzte, der harte Stein, der, anders als der lehmige Boden früherer Gassen, ihn jeden Schritt spüren ließ. Auf seinem Weg hatte er mehrere U-Bahn-Stationen passiert, sich jedoch selbst immer auf die nächste verwiesen und war vorübergegangen, obwohl Piotr ihm vorsorglich ein Dauerbillett gekauft und ihm nahegelegt hatte, davon regen Gebrauch zu machen. »Lohnt sich nicht sonst.« Doch Wolfgangs Furcht, sich im Dunkeln in diesem Tunnellabyrinth zu verirren und am falschen Ende der Stadt herauszukommen, war größer als seine Müdigkeit.
    Liebermanns Karte betrachtete er lange. Warum der Musikalienhändler ihm statt der Zahlen keine Adressen notiert hatte, wenn er ihm schon Scolarinnen offerierte, blieb Wolfgang unverständlich. Er grübelte, was es mit den Ziffern auf sich haben könnte, fragte anderntags kurzerhand die Bäckersfrau, ob sie in der Lage sei, eine Adresse aus den Ziffern abzuleiten, doch die sah ihn nur streng an und brummte etwas von Datenschutz. Ein weiteres in dem Meer unklarer Worte, die allenthalben über Wolfgang hinwegbrandeten.
    Erst als er vor seinem Haus angelangt war, schlug er sich mit der flachen Hand gegen den Kopf. Dass er nicht gleich darauf gekommen war: Liebermann hatte die Adressen verschlüsselt, so wie Wolfgang selbst es in seiner Korrespondenz oft getan hatte. Er eilte die Stiegen hinauf, um sich mit Hilfe des Alphabets und seines Stadtplanes an die Auflösung zu machen. Doch was auch immer er mit den Zahlen anstellte, ob er sie versetzte, erhöhte, multiplizierte, teilte, addierte, es kam nichts Brauchbares dabei heraus. Grübelnd fegte er den Stadtplan vom Tisch. Vielleicht also handelte es sich um ein musikalisches Rätsel, eine Prüfung, von Liebermann ersonnen? Und in der Tat ergab jene zweite Zahlenreihe eine ganz wundersam schwermütige Melodie, wenn er die Ziffern einzeln mit der Es-Dur-Tonleiter gleichstellte. Neugierig verfuhr er mit dem voranstehenden Namen inder Weise, wie er es als Kind oft mit seinem Vater getan hatte, machte aus Buchstaben Zahlen und aus Zahlen Töne und setze aus der Folge, die sich daraus ergab, einen Kontrapunkt dazu. Grandios! Dieser Liebermann war ein Fuchs. Mit Eifer führte Wolfgang die Composition fort, bis er sich mitten in einer ganz wundervollen Klaviersonate fand. Über dem dritten Satz wurde es Abend, und Wolfgang musste die Lider zusammenkneifen, um die Notenlinien erkennen zu können. Schließlich sprang er auf, ein Wachslicht zu holen, hielt inne und ließ die Arme sinken, verharrte für einen Augenblick reglos in dem fremden Raum, in der fremden Zeit, den Stuhl noch in den Kniekehlen spürend. Endlich besann er sich, ging zur Türe und drückte den Schalter für die Deckenlampe, die den Raum sofort in mittaghelles Licht tauchte.
    Mit einem schweren Atemzug nahm Wolfgang wieder Platz und warf einen Blick über die Bassstimme, die durch Liebermanns kontrapunktische Zahl einen ganz besonderen, beinahe verwegenen Gout erhalten hatte. Zufrieden streckte er die Beine aus. Er würde gewiss die halbe Nacht damit verbringen, sich die erste von Liebermanns Zahlenreihen nochmals vorzunehmen, es sollte ihn nicht wundern, wenn sich dort ein ebensolches Schätzchen versteckt hielt.
    Und gleich anderntags stürmte er wieder durch die hohe Glastüre mit den Goldlettern. Es war niemand zu sehen in Liebermanns Musikparadies, nur aus dem Kontor klang gedämpft eine Stimme. Also ließ sich Wolfgang an dem wunderbaren Bösendorfer nieder und deutete, in leisen Tönen, das Zahlenthema an, setzte dann die zweite Stimme dazu. Doch statt der Sonate, die er am Vorabend ersonnen hatte, entschloss er sich nun zu einer Fuge, spielte eine Weile über fünf Stimmen und setzte schließlich kühn das Thema aus Liebermanns erster Zahlenreihe darüber, just als der alte Herr mit dem Gehstock neben ihm auftauchte.
    »Herr Mustermann!« Liebermann lehnte den Gehstock an einen Sessel und klatschte leise. »Das ist grandios.«
    »Ja, nicht wahr?« Wolfgang warf ihm ein verschwörerisches Lächeln zu. »Wir beide taugen wohl zusammen.« Er nahm die Hände von den Tasten,

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