Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
Vom Netzwerk:
nachgeforscht – Sie wissen, wovon ich spreche –, aber es besteht kein Hinweis darauf, dass solche Schriften aufgetaucht wären.«
    »Aber woher stammt es denn nun?«
    »Wie ich schon sagte, hat einer meiner Studenten es – nun, wir versuchen gerade, den Verfasser zu ermitteln. Bezüglich der Notwendigkeit dessen sind wir uns sicher alle einig, meine Herren?«
    Zustimmendes Gemurmel antwortete ihm.
    »Es gestaltet sich allerdings schwierig, der Autor ist wohl von Namen nicht bekannt und offenbar verschwunden.«
    Der Kollege zu seiner Rechten mischte sich ein. »Wenn Sie alle einverstanden sind, dann würde ich das gerne an unseren Freund Nikolaus weitergeben, er wird mit Sicherheit großes Interesse an diesem Fund haben. Ich denke, ein solches Werk sollte der Öffentlichkeit nicht vorenthalten werden.«
    Michaelis nickte. Gleich morgen würde er sich diesen Gernot noch einmal vorknöpfen.
***
     
    Wolfgang schob die große Glastür so behutsam auf, dass die kleine Messingglocke tatsächlich nur einmal leise anschlug. Zögernd trat er ein, blieb stehen, lauschte. Jemand sprach, so entfernt, als käme die Stimme aus dem Stockwerk über ihm. Der Bösendorfer glänzte ihn an, Wolfgang überwand sich, setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen; gelegentlich knarrte eine Diele unter dem graublauen Teppich. Wie lange war es her, dass er hier gewesen war, dass Liebermann ihm die Nummern der Scolarinnen notiert hatte? Wochen, Monate gar. Dass Wolfgang sich seithernicht einmal bei Liebermann gemeldet hatte, um ihm Nachricht zu geben oder ihm zu danken, lastete wie ein nasser Tuchmantel auf ihm und lähmte seinen Schritt. Er würde es nicht fertigbringen, Liebermann anzusprechen, alles, was er tun konnte, war zu spielen.
    Den Bösendorfer berührte er wie eine vertraute Geliebte, die sich ihm schon einmal willig hingegeben hatte und nun mit weiteren Verheißungen lockte. Pianissimo, ja kaum hörbar, schickte er eine Melodie aus immer neu erwachenden Figuren in den Raum, als füge er Blumen zu einem Bukett zusammen, variierte, wurde lauter und spürte nach einer Weile, ohne den Kopf zu heben, dass Liebermann sich näherte.
    Liebermann lauschte nur und klatschte schließlich leise, mit langen Intervallen, als Wolfgang die Hände in den Schoß legte. »Da sind Sie ja endlich wieder, mein Freund. Ich konnte Sie nicht finden und habe schon befürchtet, ich hätte Sie für alle Zeiten verloren.« Er zeigte auf den Bösendorfer. »Doch vermutlich gilt Ihr Besuch nicht mir, sondern ihm, habe ich recht?«
    »Eine sie ist es …« Zärtlich strich Wolfgang über das Instrument, stand auf und verbeugte sich artig. »Gleich wohl , verehrtester, bester Freund, dies mag ein ganz vortreffliches Instrument sein, das brillanteste sicher, das ich seit langem gespielet, indes es bedeutet mir nichts, ist kein Mensch zum Zuhörer mir beschieden, der mit seiner ganzen Seele die Musik zu verstehen und zu lieben vermag.«
    »Das haben Sie schön gesagt, Herr Mustermann. Ja, ich freue mich, Sie zu hören. Und zu sehen, natürlich. Ich muss gestehen, dass ich mir Sorgen um Sie gemacht habe – nachdem Sie sich nicht mehr haben blicken lassen.«
    Liebermanns Stimme klang sanft, doch Wolfgang glaubte einen Vorwurf darin zu entdecken und zwängte ein Lächeln in sein Gesicht.
    »Ja, die Zeit, sie rennet und rennet, und man kömmt nicht hinterdrein, wenn man sich als Rechtschaffener aufgemacht, die Welt zu erobern.«
    »Dann haben Sie also keine Zeit für die Klavierstunden? Das hätten Sie mir sagen sollen.«
    »Doch, doch, gewiss …« Wolfgang senkte den Blick, tippte, nur mit dem Zeigefinger, Tonleitern auf den Bösendorfer, sang dazu so falsch, wie er es eben noch ertragen konnte. Er brach ab, wandte sich zu Liebermann um. »Allein: Ich hab sie nicht finden können.«
    »Wen? Die Frau Auerbach?«
    »Die Zahlen. Für das Siemens.«
    Zwei tiefe Furchen erschienen zwischen Liebermanns Augenbrauen.
    »Das äh – Telefon. Die Zahlen für das Telefon. Futsch!«
    »Sie haben die Telefonnummern verloren? Warum sind Sie da nicht eher zu mir gekommen?«
    Was sollte er ihm sagen? Dass er bis vor kurzem nicht gewusst hatte, wozu diese kleinen piepsenden Apparate dienten, die ihm, seit er davon Kunde hatte, allerorten auffielen? Dass er keinen besaß und erst recht nicht wusste, wie man sie bediente? Ja gar, dass er in den Zahlen ein Rätsel vermutet und daraus ein Konzert geschaffen hatte, das ihn nun der Lächerlichkeit preiszugeben suchte? Wie karg war

Weitere Kostenlose Bücher