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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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lichtgrünem B-Dur sich tänzelnd in sein Spiel schlich, allmählich die Überhand gewann und ihn schließlich mit sich fortriss, ihn Liebermann und den elenden Kapellmeister vergessen machte.
    »Warte erst, bis du ihn Mozart spielen hörst.« Liebermanns leise Stimme brachte ihn zurück.
    »Was die Herren hören,
ist
Mozart«, rief Wolfgang dazwischen.
    Klischweski runzelte die Stirne. »Dummes Zeug! Ist mir völlig unbekannt. Wie wäre denn die Werkbezeichnung?«
    »Ah, einhundertfünfunddreißig?«
    »Unsinn. Hundertfünfunddreißig ist der
Lucio Silla
«, entgegnete Klischewski verächtlich.
    »Doch, gewiss, gewiss, das ist die einhundertfünfunddreißigste Mozartkugel aus dem Knöchelverzeichnis. Voilà la cent trentesixième.« In rasendem Tempo spielte Wolfgang abwechselnd Tonleitern in As und Es, immer auf und ab.
    Klischewski starrte ihn an, in seinem Blick schienen Erfurcht und Ingrimm miteinander zu ringen. Sein Kopf wackelte leicht, als wage er nicht, ihn zu schütteln. »Nun gut, Johannes, aber nur dir zuliebe. Nur dir zuliebe.«
     
    Wenige Tage später nur betrat Wolfgang die Figaro-Bühne des Palais Palffy und stand vor einem kleinen, aber vollen Saal. Der Name des Raumes rührte ihn, viel mehr aber rührte ihn die Klarheit seiner Erinnerung an diesen Ort. Er schloss die Augen, ihm war, als sei er erst kürzlich hier gestanden, doch mussten es mehr als dreißig Jahre her sein. Dann besann er sich, lachte, schüttelte sich wie ein Hundnach dem Bad und sah sich in dem hell erleuchteten Konzertsaal um. Irgendwo in einer der hinteren Reihen musste Piotr sitzen, doch Wolfgang konnte ihn nicht entdecken.
    Er vermisste den weichen Duft der Wachslichter, der in seiner Erinnerung untrennbar mit jedem Konzert verbunden war. Es roch nur dezent nach Parfüm, kaum nach dem Odem greiser, faltiger Krückstockgänger und überhaupt nicht nach ungewaschenen Leibern. Stattdessen lag etwas anderes in der Luft, ein zäher, forscher Geruch, der wohl allzeit der gleiche bliebe: Es roch nach Geld.
    Kaum dass er am Flügel Platz genommen hatte, schwitzte er. Die hellen Scheinwerfer heizten den schwarzen Frack, dessen Ärmel viel zu lang und deshalb notdürftig mit Nadeln umgesteckt waren.
    Das Orchester spielte brav und sauber, nur ein dicker rotwangiger Cellist schleppte hartnäckig; er sah dabei aus, als renne er atemlos hinter den anderen drein, obwohl die Beethoven-Symphonie und ebenso das haydnsche Adagio, das zuvor gespielt worden war, auch dem Gemächlichsten noch Zeit gelassen hätten.
    Zum Abschluss nun stand jenes Klavierkonzert auf dem Programm, an das er sich nur zu gut erinnerte, ward es doch komponiert in einer Zeit, da er sich in seinem eigenen Haus nicht mehr frei hatte fühlen können, die Augen seines Vaters jeden Winkel seiner Wohnung wie mit einer Kerze ausgeleuchtet und ihm jede Gelassenheit genommen hatten. Wie wären jene Tage wohl vergangen, hätte er geahnt, dass es die letzten sein würden, die er mit dem Vater verbrächte? Wolfgang war unsicher, ob er es deswegen für diesen Abend gewählt hatte.
    »Nun gut, aber keine Experimente, Herr Mustermann«, hatte Klischewski sich bei der Generalprobe ausgebeten, »wenn Sie schon hier spielen wollen, dann bitte das, was auf dem Blatt steht.«
    Wolfgang grinste in sich hinein, warf einen letzten Blick auf sein Publikum und ließ das Konzert in seinem Inneren aufsteigen, hörte farbige Linien sich mit wogenden Flächen verbinden, sah Zahlen, Höhen, Tiefen; nickte dem Orchester zu und spielte geduldig bis zur Schlusskadenz. Als Klischewski schließlich den Stock senkte und Wolfgang das Feld überließ, dachte Wolfgang an Mado, an die blaugoldene Nacht und setzte mit drei Jazz-Akkorden an. Flink leitete er auf das Thema des Haydn-Adagios über, um im Kontrapunkt ein Fitzelchen der Beethoven-Symphonie einzustreuen. Er warf einen Blick auf das Orchester. Die Musiker immerhin schienen aufgewacht zu sein, der dicke Cellist glotzte ängstlich zu ihm herüber. Das begann Spaß zu machen. Sittsam wie ein Klosterschüler führte er gemächlich zurück, bis Klischewski den Stock steigen ließ, die Bläser ansetzten, die Bögen sich hoben … und Wolfgang weiterflog, sich mit den drei Hauptthemen des Abends durch die Jahrhunderte improvisierte, wie er es so oft im
Blue Notes
getan hatte, zuweilen über die Grenzen des Atonalen hinwegsprengte, um endlich, mit einem langen Triller auf der Dominanten, genau dorthin zurückzukehren, wo der Dirigent ihn haben wollte.
    Der

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