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Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition)

Titel: Herr Mozart wacht auf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Baronsky
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deutete mit dem Kinn auf den kleinen Tisch unterm Fenster. »Aber nutzt nichts, wenn du nicht hast Disziplin. Wirst du sitzen jetzt und Musik laufen lassen auf Papier statt in Abfluss.«
    Wolfgang nickte folgsam, trottete durch das kleine Apartment und nahm auf dem Küchenstuhl Platz. Mehrere große Notenhefte, leere und bereits angefangene, lagen in dem Stapel vor ihm. Er nahm eines heraus, musste beinahe schmerzhaft lächeln, fuhr mit der Hand über den Einband.
Requiem aeternam
. Eine Verpflichtung mit Gott. Wie weit war er gekommen? Behutsam blätterte er die ersten, noch leeren Seiten um, die einmal das aufnehmen sollten, was er seinerzeit bei Enno vergessen hatte, nur die Titel hatte er schon oben an die Ränder geschrieben. Introitus, Kyrie, die Sequenz mit beinahe allen Teilen. Nur über dem letzten stand nichts als ein großes L. Er blätterte weiter, hastig, ehe die gefürchteten Töne ihn erreichen konnten, sah auf.
    Sein Blick fiel aus dem Fenster, schweifte über die Dächer, und für einen winzigen Moment fühlte er sich wiedererinnert an jene Zeit, die so wach in ihm lebte und ihm doch immer mehr entglitt. Zu Hause. Das war mehr denn ein Zimmer mit einem Schlüssel dazu, mehr als ein Ort, dessen Straßen und Plätze man kannte. All das war vergänglich und band nicht wirklich. Er sah über seine Schulter, hin zu Piotr, der auf dem Sofa saß und mit gezücktem Stift in seinem Kalendarium blätterte.
    Zu Hause. Das waren nicht einmal die Menschen, die man Freunde nannte, solange sie einer Welt angehörten, die einem selbst doch immer fremd und verwehrt bliebe. Zu Hause, das konnte nur ein kleiner Ort im eigenen Herzen sein, tief im Innern. Wolfgang atmete lange aus. Er brauchte nicht einmal in sich hineinzuhorchen. Tief in seinem Herzen, tief in seinem Innern war Musik, nichts als Musik, und würde nie etwas anderes sein.

Offertorium
Domine
     
    … sed signifer sanctus Michael
    repraesentet eas in lucem sanctam
     
    »Vielversprechend, Herr Mustermann. Warum haben Sie mir das nicht gleich beim letzten Mal mitgebracht?«
    »Dieweil nichts davon komponieret war, folglich ich nichts davon herzuzeigen vermocht hätte.«
    Singlinger starrte auf die Mappe, dann wieder auf Wolfgang. »Sie meinen, das ist die Ausbeute von vier Wochen?«
    »So mir die leidige Schreiberei nicht bald all meine Zeit abverlangte, hätt ich gewiss mehr mitgebracht. Da wäre noch der Klavierauszug einer Fantasie und ein Rondo. Und ein Sonatensatz, der bedürfte einer Coda, aber man ist schließlich kein Rindviech, das alles fünfmal kauen will! Muuuh!« Wolfgangs Zwerchfell vibrierte bei dem Bild einer fetten Milchkuh, die Noten fraß und daran würgte.
    Singlinger blätterte in den Seiten. »Herr Mustermann, Sie sind ein Phänomen. Was bringt Sie zu dieser Fülle von Einfällen?«
    »Vorwitzige Kobolde, Herr Singlinger, die immerfort in meinem Kopf herauf- und herunterpoltern, dass es einen Lärmen macht, und mir die frechsten Sachen erzählen. Ich wünschte mitunter, sie ließen mich in meinem wohlverdienten Frieden, doch es sind derer zu viele, an jeder Ecke lauern sie auf mich, und kaum dass jemand zu mir spricht, wird’s – eh ich mich verseh – Musik!« Er schüttelte sich und stieß einen Laut aus, als schmecke er Lebertran auf der Zunge. »Das wenigste davon freilich ist zu gebrauchen, ha! Für den Rest indes reicht ein Leben nicht zur Niederschrift. Ich wünschte oftmals, es ginge mir einer zur Hand,allerdings müsste der in meinen Kopf hineinschauen können, doch indem ein arges Durcheinander dorten herrscht, werde ich es müssen allein zuwege bringen.« Bei der Vorstellung, jemand zöge sein Hirnkastl auf wie eine bis oben hin vollgestopfte Kommodenschublade und fiele, angesichts des Inhalts, hinterrücks auf den Allerwertesten, musste er wieder lachen.
    Schließlich wischte er sich mit dem Ärmel über die feuchten Augen und senkte seine Stimme. »Wenn der Herr Singlinger sich etwas in Geduld fassen möchte, so hätt ich noch eine Spezialität, etwas, das Ihnen gefallen wird, sonderheitlich, als es einst Aufsehen erregen wird, wenn man es zum Ende des Jahres geben wird.«
    »Zum Ende des Jahres?« Singlingers Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an. »Was soll das sein?«
    »Eine Totenmesse. Mithin – es ist keine gewöhnliche Messe, ich bin im Vertrauen, dass es in der ganzen Welt für Aufsehen sorgen muss, doch itzt darf nicht zu viel gesagt werden, wenn es eine Verwunderung machen soll.«
    Singlinger lächelte

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