Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
schließen, dass sie nicht erst sein 03:38 wach ist.
»Mich auch«, sage ich. »Und das, wo ich von den letzten zwei Tagen sowieso noch total erledigt bin.«
»Selber schuld.«
»Wieso?«
»Du hättest ihn halt nicht so früh hierherbringen dürfen.«
»Ich bin achtzehn Tage lang mit der Knackwurst in Solingen spazieren gegangen und habe ihn danach jedes Mal wieder im Tierheim abgegeben.«
»Zwei Tage länger hätten den Kohl nicht fett gemacht.«
»Zuletzt hat er mich richtig traurig angesehen. Das hält doch kein Mensch aus.«
»Traurig? Der? Wenn seine Frau Hagedorn mit dem Napf winkt?«
»Ja, traurig! Der! Wenn seine Frau Hagedorn mit dem Napf winkt!«
»Firlefanz«, sagt Stella und schnappt sich einen Kriminalroman vom Nachttisch.
Auf dem Umschlag steht Erbarmen .
Hinten in der Ecke liegt Luna in einem Körbchen mit der Aufschrift Schnuffelwuffel und knurrt im Schlaf. Neben ihr rutscht Wiki zum wiederholten Mal knarzend von seinem Fatboy -Kissen, klettert knarzend wieder hoch, dreht sich knarzend im Kreis und lässt sich knarzend plumpsen.
»Erbarmen!«, ächze ich.
Es ist natürlich angenehmer zu behaupten, die beiden hätten mich verarscht, als zuzugeben, dass ich nach fünf Jahren immer noch keine Ahnung von Hunden habe. Oder zumindest ihr Verhalten nicht richtig lesen kann. Oder es zwar lesen kann, aber mit der Sehkraft eines Maulwurfs.
Was weiß denn ich!
Tatsache ist jedenfalls, dass die beiden am achtzehnten Tag unserer Solinger Spaziergänge einigermaßen vernünftig neben einander hertrotten. Zumindest tun sie so, als wäre Sex nun wirklich das Allerletzte, was ihnen in den Sinn käme. Sie wirken schon beinahe klösterlich.
Der Unterschied zu der Woche davor ist eklatant. Da war es noch der reine Leistungssport. Zwei Stunden lang den Terrier von der Schäferhündin ziehen und sich hinterher mit einem Muskelkater in Armen und Brust herumquälen, als hätte man nach einjähriger Fitnesspause am Butterfly zu viel Gewicht aufgelegt. Die Schulter schmerzt ebenfalls.
Ich habe nicht Rücken oder Hüfte, ich habe Hund.
Am achtzehnten Tag scheint das Thema erledigt zu sein. Die beiden schnüffeln völlig entspannt durch den Wald. Jeder geht seinen eigenen Interessen nach. Kreuzen sich ihre Wege und Wiki nimmt aus Versehen eine Überdosis Lunaduft zu sich, verliert er kurz die Nerven und bedrängt sie. Das passiert aber nur zweimal. Außerdem zeigt Luna dem Bürschchen ihre stattlichen Hauer und schnappt grollend nach ihm wie in den guten, kalten Tagen. Ich schaue beiden tief ins braune Auge und fordere mit erhobenem Zeigefinger Wohlverhalten.
Beide blicken diskret beiseite. Es könnte klappen.
Eine meiner grandiosesten Fehleinschätzungen.
Wir sagen Frau Hagedorn Tschüss und machen uns im Bulli auf den Heimweg. Luna liegt brummend im Kofferraum, Wiki döst in der Hundebox. Das keusche Idyll hält genau so lange, bis zu Hause die Haustür aufgeht. Beide rasen ins Haus, suchen sich ein ruhiges Plätzchen, die Dame biegt die Rute beiseite, der Herr nimmt die Einladung an.
Nicht zu glauben! Am Ende der Läufigkeit hängt Luna tatsächlich wieder die rote Laterne raus.
Chez Lune!
Das Etablissement für den verwöhnten, selbstbewussten Herrn.
Ich fahre dazwischen wie der Leibhaftige und behalte diese Tätigkeit die nächsten beiden Tage bei. Ein Kondom in Menschengestalt!
Offensichtlich wirbeln intakte Rüden den Hormonhaushalt von Hündinnen ordentlich durcheinander. Da die zwei weder durch vernünftige Gespräche noch durch panisches Geschrei von ihren Absichten abzubringen sind, bringe ich dem Rüden in archaischer Form bei, dass er die Hosen geschlossen zu halten hat. Mit Körpereinsatz, so wie es die Konkurrenz auch macht: dazwischengehen, abdrehen, abdrängen, wegheben.
Abends in der Küche kommt es zum Showdown: ich mit Handtuch gegen Terrier mit Gebiss. Wiki und ich jagen uns durch die Küche, ich mit dem Ziel, Lunas Jungfräulichkeit zu bewahren, er in genau gegenteiliger Absicht. Meine Güte, ist der schnell. Nach drei Runden um den Tisch auf krummen Terrierbeinchen dreht er plötzlich in der Luft um und schnappt sich mein Handtuch. Während er am einen Ende zerrt und ich am anderen, bemerke ich zum ersten Mal, dass ihm ein silberner Rallyestreifen auf der Nase wächst. Auch das noch! Damit macht er in der Spitze wahrscheinlich hundertfünfzig Sachen.
Wiki knurrt dramatisch ins Handtuch, schüttelt es und will ihm das Genick brechen. Ich hebe ihn unbeeindruckt hoch und trage
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