Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
auch nicht hingehauen.«
Eine Terrakottakriegerin: »Ich zeige Sie an! Der klaut unserem Bienchen das Futter.«
Der kleine Benni: »Wiki hat aber ein weiches Fell.«
Paulas Frauchen: »Geh da bloß nicht hin, Schatz!«
Die Begegnungen mit Hundedamen laufen merkwürdig schizophren ab. Das Duo verwirrt. Wiki lockt die Weiber mit einer Riesenportion Charme, und Luna bläst sie weg. Das irritiert manche Hündinnen so sehr, dass sie gar nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen. Paula schleicht zögernd heran, zuckt zurück, kommt wieder, rennt zu Frauchen, dreht sich um, schaut hin, schaut weg.
So gut Wiki mit Frauen kann, so schlecht beherrscht er das Passieren von Absperrungen aus grob gehauenen Baumstämmen. Im Neandertal sehen die wie zwei auf dem Kopf stehende U aus und sind versetzt in einem Abstand von einem Meter in den Waldboden gerammt. Während Luna mit mir auf dem Weg bleibt und wir uns ordentlich durch die Absperrung schlängeln, rennt Wiki, den ich mir an der Fünfmeterleine an die Hose gebunden habe, stumpf geradeaus. Dann erinnert er sich an uns, rast zurück, fädelt ein, saust hinter Luna her, dreht noch mal kurz um, weil er hinten auf dem Weg etwas vergessen hat, kreiselt um die vier Stämme und – steht!
Ich binde Luna an ein Bäumchen, knie mich neben Wiki in den Matsch und versuche, den kleinen Kerl zu entfesseln, ohne Knoten in die Leine zu knüpfen.
Dabei sehne ich mich nach den Zeiten zurück, wo mich eine aufgebrachte Luna einfach nur sauber und konsequent vom Fahrrad zog. Gegen diese Turnerei mit Rüde und Hün din ist Vomfahrradkippen ein Zuckerschlecken. Radeln – Hund – anderer Hund – Zirkus – auf die Fresse fallen – aufstehen – abklopfen – weiterfahren. Alles so einfach, so eindimensional, so überschaubar.
Mir dämmert langsam, dass zwei Hunde im Haus, im Garten und am Fahrrad nicht nur doppelte Freude bedeuten, sondern vor allem achtfache Arbeit.
Die zweite Kaustäbchenattacke erfolgt an Wikis zweitem Tag. Dieses Mal baut er sich nicht vor Luna auf, sondern beobachtet sie von seinem Platz aus. Als sie einen kurzen Moment nicht aufpasst, weil sie ihre Schwanzspitze inspizieren muss, schießt er los und klaut im Vorbeifliegen Lunas Stäbchen von der Hundedecke.
Sie blickt ihm nach, brummt kurz und kümmert sich weiter um ihre Rute.
Ich blättere wie ein Wahnsinniger im Fachbuch. Steht da beim Thema Rangordnung nicht, dass in neu gebildeten Zweierrudeln in aller Regel die Hündinnen die Führungsposition übernehmen und nicht die Rüden? Und sehr oft die Älteren und nicht die Jüngeren? Und mit größter Wahrscheinlichkeit die Alteingesessenen und auf gar keinen Fall die Neuhinzugekommenen?
Luna ist alles drei zusammen – Hündin, älter, länger bei uns – und lässt sich von dieser Terrierwurst den Schneid abkaufen? Rüttelt der bereits am ersten Tag an ihrem Rang? Haben die überhaupt schon Ränge? Müsste Luna nicht endlich mal etwas unternehmen?
Ich schreibe meiner Rüdin einen Brief.
Liebe Luna,
du bist die härteste Sau im Neandertal. Du bollerst Freund und Feind vor den Kopp. Du zerrst den Ärmelmann aus seinem Revier, mich vom Fahrrad und die Beißwurstinnereien aus ihrem groben Sackleinen. Du hast im Viertel einen Ruf wie Donnerhall. Warum lässt du dir von so einer halben Portion das Fressen mopsen? Zeig der Sackmilbe die Zähne!
Stella guckt mir über die Schulter und zieht die Augenbrauen hoch.
»Fassen wir die ersten Tage zusammen«, sagt sie. »Schleppleine kann er nicht. Hören will er nicht. Er klaut anderen die Lieblingssachen. Er kann nicht knarzfrei auf dem Fatboy liegen. Weiber sind seine Leidenschaft. Sein Fressen atmet er ein. Wenn Luna läufig ist, macht er das ganze Haus zum Puff. Und du schreibst Briefe an einen Hund.«
Dass Ehefrauen alles immer so gekonnt auf den Punkt bringen müssen …
Das Sachenmopserle
Der Langmut, mit dem Luna die ersten beiden Kaustäbchenattacken zulässt, ist friedensnobelpreiswürdig. Luna hat schon ganz andere Kaliber wegen weit weniger attraktiver Esswaren verdroschen. Als der Rotzlöffel jedoch am dritten Tag in Folge ein Kaustäbchen aus Lunas Pranken mopsen will, verpasst sie ihm den Einlauf des Jahrhunderts.
Ich stehe am Herd und sehe aus dem Augenwinkel, wie eine schwarzweiße Kugel die zwei Stufen vom Wohnzimmer in die offene Küche hinunterrollt und quiekend unter dem Tisch in Deckung geht. Oben steht die Rüdin über ihrem Kaustäbchen und schickt dem lebensmüden Hausgenossen ein
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