Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
so gut gemacht hat.«
Ich rücke vorsichtig den Fausthandschuh zurecht, der von der Gipshand zu rutschen droht.
»Es muss etwas passieren. Sonst fliegt der Knabe raus!«, sagt sie.
»Das Problem ist, dass er in seiner Prägephase tun und lassen konnte, was er wollte. Und jetzt ist er in der Pubertät und gleichzeitig in einer völlig neuen Umgebung.«
»Das ist mir scheißegal!«, sagt Stella. »Der hat keinen anzugreifen. Stell dir nur mal vor, da sind Besuchskinder im Haus, und der kriegt einen seiner Anfälle. Wegen dämlicher Bonbonpapierchen oder was weiß ich.«
»Im Moment hinterfragt er alles. Er kommt nicht in die Küche, er besteht darauf im Garten zu bleiben, er verteidigt die Hasen, er reißt an meinen Hosenbeinen, er legt sich mit einer Bordeauxdogge an, er brennt durch. Neulich Abend zischt er die Waldböschung hoch und buddelt oben auf dem freien Feld nach Mäusen. Marie und ich finden ihn in der Dunkelheit überhaupt nicht mehr. Wahrscheinlich, weil er bis zum Schwanz im Loch steckt. Nach fünfzehn Minuten rauscht er schlammverschmiert wieder an. Wieder zu Hause stellt er fest, dass die Küchentür offen ist, und haut zu einem Nachtausflug ab.«
»Ich erinnere mich.«
»Ja, das war der Abend, als du vom Elternabend nach Hause kamst und auf den letzten zweihundert Metern plötzlich ein fröhlicher, kleiner Hund neben deinem Auto her hüpfte. Ich glaube einfach, der hat die Probezeit überstanden und lässt jetzt die Sau raus.«
»Das mag alles sein. Aber wie schon gesagt, es muss etwas passieren, sonst …«
Wiki rennt im Zickzack über den Kartoffelacker. Es sieht so aus, als käme der Fährtenjunkie wieder durch. Als er endlich umkehrt und auf uns zuläuft, fängt Luna ihn ab und gibt ihm eins auf den Deckel.
Danach muss er mit ihr spielen, obwohl er gar nicht will. Bislang war es immer so, dass Wiki an Lunas Hals kaute, bis sie sich entweder ergeben ins Spiel fügte oder genervt abdrehte. Seit draußen Schnee liegt, ist es umgekehrt. Der Kleine hat den Kaffee auf, weil er nichts, aber auch gar nichts alleine unternehmen kann. Kaum sind die beiden draußen, rempelt die Alte ihn an und will balgen. Wenn er nicht mitmacht, hetzt und kloppt sie ihn minutenlang durch den Schnee.
»Ich will, dass die Knurrerei aufhört«, sagt Stella. »Wirklich! Stell das ab! Mach es meinetwegen wie Luna. Geh einmal massiv drauf, damit das Thema ein für alle Mal erledigt ist. Das darf der sich nicht noch einmal erlauben, sonst ist er weg.«
»Ich kann nicht zwei Hundeschulen absolvieren. Luna hat ja auch noch das ein oder andere Problem.«
»Dann soll sich Marie um den Kleinen kümmern«, sagt Stella. »Max beginnt demnächst mit seiner Kochausbildung, und Lotta ist in der Schule total eingespannt. Die beiden haben dafür keine Zeit. Marie kann die Grunderziehung in der Hundeschule übernehmen. Du kümmerst dich um Wikis Beuteproblem und um Lunas Ausraster. Du bist der harte Knochen.«
Eine Weile gehen wir schweigend übers Feld.
»Würdest du ihn wirklich rausschmeißen?«, frage ich.
»Wahrscheinlich nicht. Ich bin ihm ja nicht einmal böse, dass er mich gebissen hat. Das war meine eigene Blödheit. Außerdem passt er zu uns. Den kannst du totschmusen. Der hält ewig still. Luna mit ihren sechs Jahren wird dagegen immer eigener. Sie zieht sich oft zurück und will nicht gekrault werden.«
»Er hat sich also wieder bei dir eingeschleimt.«
»Ja, hat er.«
Wiki hat Luna abgeschüttelt und stöbert weiter nach Kartoffeln. Luna kommt sich eine Portion Blutwurst abholen.
»Und, ist das mit Wiki jetzt beschlossene Sache?«, fragt Stella daheim.
»Ja, abgemacht. Ich kümmere mich darum.«
»Gut. Ich will ihn nämlich behalten.«
»Ich auch. Außerdem ist so ein Tierheimhund praktisch für mein versautes Image in der Nachbarschaft. Wenn der Hund, den du vom Welpenalter an großgezogen hast, Scheiße baut, helfen keine Ausreden. Das hast du alles selber verbockt! Aber wenn dein Tierheimhund etwas anstellt, kannst du immer und überall und bis ins hohe Alter darauf verweisen, dass er eine schwere Kindheit hatte.«
Plötzlich scheppert in der Küche der Toaster auf die Fliesen, und der Korb mit den Wasserflaschen kippt um. Wiki flitzt unter dem Tisch hindurch und hopst auf Lunas Decke. Luna springt auf den kleinen Kerl, nimmt ihn in den Schwitzkasten und dreht ihn einmal durch die Mangel.
Danach rasen beide Hunde zum Fenster und krakeelen einen nicht vorhandenen Besucher an. Das Spektakel hört gar
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