Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
verbeißt.
Jeannine wird geraten, immer laut lachend und trällernd an anderen Hunden vorbeizuschlendern, damit der eigene Hund sich nicht verspannt. Nadjas Nachbarin stellt ihren Welpen in den Einkaufswagen und kariolt damit durch den Supermarkt, um ihn artgerecht an die Geräusche und die Leute zu gewöhnen. Sylvias Krause regt an, die Angst ihres Hundes vor Gewitter gemeinsam mit einer Flasche Bier auf der Parkbank auszusitzen.
Weil Zerren traumatisiert, kniet Yvonne im Wald bei strömendem Regen zwei Stunden lang vor ihrem Hund und hält sanft und bewegungslos den Ball fest, den der Hund in der Schnauze hat und nicht mehr hergeben will. Daniela erhält den Ratschlag, täglich Dominanz zu zeigen und vor jeder Mahl zeit zwei Brocken aus dem Hundenapf hinunterzuschlingen sowie alphamäßig vor der Haustür zu scharren.
Anett galoppiert kreischend und mit einem Würstchen wedelnd nach links, wenn ihr Beagle nach rechts läuft. An ihrem teuren, bereits bezahlten Gruppenunterricht kann sie leider nur aus einer Entfernung von neunhundert Metern teilnehmen, weil der Krause sie immer in die Gegenrichtung schickt, wenn es ihren Hund zur Gruppe hinzieht. »Ein Beagle lässt sich nicht erziehen«, erklärt er. »Man kann schon froh sein, wenn ein Hund dieser Art nicht die Koffer packt und geht.«
Anja sucht vier Stunden lang ihren Hund in der Pampa, nachdem Krause eine Klapperdose nach ihm geschmissen hat. Marikas Hund darf die Rehe nur ansehen, brennt aber trotzdem durch und muss auf jeden Fall gelobt werden, wenn er wiederkommt. Um ihren Hund vom Kotfressen abzuhalten, soll Dagmar Harzer Roller verfüttern und jeden Morgen auf alle frischen Haufen im Viertel Tabasco spritzen. Angela spuckt als vertrauensbildende Maßnahme in die Hände und reibt ihrem Hund zur Begrüßung damit die Lefzen.
Evas Beagle darf kein Lederhalsband tragen, weil ein Beagle ein Jagdhund ist und ein Lederhalsband ein totes Tier. Heike soll ihren unerziehbaren Terrier vor dem Training fünf Minu ten am Garderobenhaken aufhängen, alles andere beeindrucke einen Terrier wenig.
Lisa legt an jedem Bordstein eine Vollbremsung hin und johlt erschrocken Huch! , damit ihr Hund zukünftig an Straßen von selber stoppt. Sabina wirft sich vor Schmerzen winselnd auf die Küchenfliesen, damit ihr Welpe aufhört, mit seinen Milchzähnen an ihren Händen zu knabbern.
Mustafas Krause lässt seine Kundschaft im Wald den Hund bürsten. Er nennt das Einzeltraining zum Bindungsaufbau. Neunzig Minuten kosten stattliche vierundfünfzig Euro.
»Liebe Gemeinde«, sage ich. »Erheben wir unser Glas und trinken auf die Hundeerziehung und auf die Webseite Bunter Hund . Da bekommen Hunde das Brustgeschirr nach farbthe rapeutischen Gesichtspunkten verabreicht. Die passende Farbe trägt zum Wohlbefinden bei, die unpassende bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Von der Farbe Rot ist streng abzuraten. Zum Wohl! «
»Gib dem Mann mal einen Schnaps«, sagt Juppi zu Walter. »Der hyperventiliert ja gleich.«
»Ich brauche auch einen«, sagt Ralf. »Rotes Mützchen, gelber Schlauch, grüne Ampel, blauer Hund. Die haben sie doch nicht mehr alle.«
»Erinnert ihr euch noch an letztes Jahr?«, fragt Peter. »Die Brunellomethode? Orale Rotweingaben für Hundeführer?«
»Je besoffener das Herrchen, desto entspannter der Hund«, sagt Juppi.
»Blauer Halter statt blauem Hund«, sagt Walter.
»Lasst uns das ausbauen«, sagt Peter. »Wir machen uns mit einer Hundeschule selbstständig.«
»Therapiekonzept Blauer Halter.«
»Hervorragende Idee.«
»Auf uns Therapeuten!«
»Auf uns Therapeuten!!«
»Was nehmen wir pro Stunde?«
»Minimum zwohundert plus Steuer.«
»Moment, ich gebe euch meine Kontonummer.«
»Was therapieren wir eigentlich?«
»Ist das wichtig?«
Krause, der Hundetrainer für schwere Fälle, hört sich unser Problem ungeduldig an und konstatiert maximalen Erzie hungsbedarf.
»Acht Stunden, zweihundertneunzig Euro«, schnarrt er ins Telefon. »Danach sehen wir weiter.«
Ich laufe kalkweiß an und frage mich entgeistert, wer das bezahlen soll und ob Marie diesem Job gewachsen sein wird. Schließlich habe ich mit Luna alle Hände voll zu tun. Wäh rend ich telefoniere, kraule ich Wiki am Hals. Der weiß genau, dass er sich bei mir keine Streicheleinheiten abholen kann. Das klappt nur, wenn ich nicht aufpasse. Beim Telefonieren zum Beispiel.
»Kraulen Sie etwa den Hund?«, fragt Krause misstrauisch.
»Nein, woher denn«, schwindle ich.
»Passen Sie bloß
Weitere Kostenlose Bücher