Herrchenglück: Vom Chaos auf acht Pfoten
Hund im Haus total konsequent erzogen. Der bereitet überhaupt keine Probleme und ist sechs Jahre lang wunderbar in der Spur gelaufen. Mittlerweile macht ihr ein bisschen auf und lasst schon mal fünfe gerade sein. Das ist völlig in Ordnung, weil der Kern eurer Beziehung stabil ist. Aber in diese Laissez-faire-Atmosphäre kommt jetzt euer zweiter Hund, ohne dass ihm klare Grenzen gesetzt werden. Schon klingelt’s, und vor der Tür steht ein kleines Monster und winkt. Und wisst ihr, was das sagt? Es sagt: Huhu, ich bin’s! Euer Problehem!«
Im Folgenden zählt er uns die Gedankenlosigkeiten der ersten halben Stunde auf und schwört uns darauf ein, das Rad wieder zurückzudrehen.
Das war’s dann wohl mit den Freiheiten, Luni!
Mitgefangen, mitgehangen.
Die sechste Stunde findet am Scharpenacken in Wuppertal statt. Auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz ist so viel los, dass ich mich mit Luna experimentell ins Getümmel stürze, um friedvolle Hundebegegnungen zu üben. Marie, Wiki und die anderen Erstklässler üben am entgegengesetzten Ende des Geländes, gute achthundert Meter entfernt von uns.
Was sie genau trainieren, weiß ich nicht. Bindungsvertiefung kann es nicht sein. Aus heiterem Himmel steht Wiki plötzlich vor Luna und freut sich den Schwanz ab.
Wir bringen den Ausreißer zurück. Auf halbem Weg begegnet uns ein Trüppchen Labbibesitzer, die mit Wurstangeln unterwegs sind. Es handelt sich dabei um eine klassische Reiz angel, an deren Ende nicht irgendein Läppchen sein klägliches Dasein fristet, sondern eine fette Mettwurst.
Ich starre ihnen sprachlos hinterher.
Meine beiden Hunde tropfen.
Die siebte Stunde fällt für Wiki aus. Marie ist ausnahmsweise mit Zweibeinern verabredet. Damit der Schlendrian nicht ein reißt, darf er mit Luna und mir stattdessen auf den Hundeplatz zu den Hovis, muss allerdings vor dem Zaun bleiben.
Die versammelten Großhundbesitzer lächeln milde.
»Ist Luna beim Waschen eingelaufen?«
»Guck mal, die Farbe ist auch raus.«
»Wo kommen da die Batterien rein?«
»Ist das Geräuschchen Gebell?«
Wenig später stellt sich heraus, dass so gut wie alle Hovis heute keinen Bock auf Ärmel und Revier haben. Auch Lunas Vorstellung bewegt sich eher am unteren Ende der Motivationsskala. Richtig Pfeffer auf dem Rasen ist erst, als Gerd das Tor öffnet und gönnerhaft sagt: »Na, dann lass mal deinen Freizeitdackel rein.«
Mein Kleiner, der noch nie einen Hundeplatz, geschweige denn einen Helfer, gesehen hat, rast wie eine Hornisse auf den Platz, guckt sich um, entdeckt Gerd mit dem Hetzarm und nimmt Maß.
Als er zwanzig Minuten später mit Gerd fertig ist, ist der Freizeitdackel Geschichte und der Kampfdackel etabliert.
Nach der achten Stunde besprechen wir uns kurz auf dem Parkplatz bei Grube Sieben. Der schlammbraune Wiki hopst mit seinem Leinchen zu Luna in den Kofferraum. Krause und Marie sind hochzufrieden.
»Das war eine wunderbare Runde«, sagt Krause. »Wiki hatte eine tolle Orientierung. Immer wieder hat er sich nach Marie umgesehen.«
»Sobald er zu weit vorausgelaufen ist, habe ich mich umgedreht«, sagt Marie. »Ohne etwas zu sagen. Einfach so. Der kam immer sofort angaloppiert.«
Während wir uns über den Musterschüler freuen, quetscht der sich klammheimlich zwischen dem Trennnetz hindurch und springt von der Rückbank auf den Vordersitz. Dort frisst er die Box mit Lunas Ichbleibganzruhigwurst leer und will durch das geöffnete Fenster stiften gehen.
Dummerweise verklemmt sich seine Leine irgendwo im Auto und wickelt sich um sein Hinterbein. Als er aus dem Fenster klettert, ist die Leine zu Ende, und Wiki baumelt wie ein Schinken außen an der Autotür.
»Das wird schon«, sagt Krause.
Die neunte Stunde bekommen wir geschenkt, weil die siebte ausgefallen ist. Ich bin dabei, weil es die letzte ist. Schleppleinenwiki läuft viel zu weit voraus. Wir drehen abrupt um und laufen in die andere Richtung. Schon hören wir Wiki im Schweinsgalopp heranrauschen. Die Leine schwifft lustig hin terher.
Kurz bevor er uns erreicht, kitzelt eine Fährte seine Nase. Wiki biegt ansatzlos ab in den Wald. Von vorne kommt ein Fahrradfahrer mit einem Weimaraner. Wir rufen Wiki vorsichtshalber nicht. Der hupft abgelenkt durchs Unterholz. Vielleicht haben wir Glück.
Haben wir nicht. Gerade noch rechtzeitig entdeckt Wiki den Weimaranerradler, prescht auf den Weg und umrundet ihn fröhlich mit seiner Zehnmeterleine.
Dreimal, um genau zu sein.
Während ich den
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