Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herrchenjahre

Herrchenjahre

Titel: Herrchenjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frey Dodillet
Vom Netzwerk:
Welpenschule, Rüpelkurs, Anfängerkurs Gehorsam I, Fortgeschrittenenkurs Gehorsam II, Aufbautraining Gehorsam III mit integriertem Spiel und Spaß I bis VI, Fährtensuche, Begleithund-, Gruppen- und Schutzhundtraining, brav und regelmäßig alle ein bis zwei Wochen auf Wald-oder
Wiesenwegen und dem Hundeplatz, sowie jede Menge Spaziergänge unter Zuhilfenahme guter und gut gemeinter Tipps, von denen Erstere selten fruchteten und Letztere nie.
    Gebracht hat es wenig. Lunas Temperament ist erziehungsresistent.
    Allein die Flut von Überlegungen, warum die Krawallmaus so ist, wie sie ist. Ein Krause jagt den anderen. Angeblich ist Luna so krawallig, weil sie extrem unsicher, nein, extrem dominant, Blödsinn, extrem ängstlich, ach was, extrem aggressiv ist. Luna flippt nur aus, weil sie keinen Scheff hat, Luna flippt nur aus, weil sie zu viel Scheff hat. Luna zetert, weil ihr die feste Hand fehlt. Luna zetert, weil sie zu hart rangenommen wird.
    Ich als Halter bin wahlweise schuld, weil ich ihre Signale richtig interpretiere und falsch reagiere oder weil ich ihre Signale falsch interpretiere und richtig reagiere oder weil ich ihre Signale komplett übersehe und gar nicht reagiere.
    Madame mobbt andere, weil sie bald läufig wird, gerade läufig ist, gerade läufig war. Weil sie bald scheinträchtig wird, gerade scheinträchtig ist, gerade scheinträchtig war.
    Sie hat zu viel Östrogen. Nein, hat sie nicht. Sie hat zu viel Testosteron.
    Der Ochsenziemer ist schuld. Getrockneter Bullenpenis weckt das Raubier.
    Ich unternehme zu viel mit ihr. Ich unternehme zu wenig mit ihr.
    Sie ist total überdreht. Sie ist total unausgelastet.
    Ich spreche zu viel mit ihr, ich texte sie zu. Ich spreche zu wenig mit ihr, sie weiß nicht, woran sie ist. Ich führe sie zu eng. Ich lasse ihr zu viel Raum. Ich bin viel zu konsequent. Ich lasse zu oft fünf gerade sein.

    Es könnte aber auch sein, dass es die Hündin an der Schilddrüse hat. Oder am Kopf. Oder eine versteckte Epilepsie. Oder dass überhaupt viel zu viel nervöser Schäferhund im Genpool steckt. Dass sie unter impulsverstärkendem Serotoninmangel leidet, weil sie nicht mit Pferd biogebarft wird.
    Dass die Sonne scheint und Stress macht. Dass der Regen prasselt und Stress mache. Dass das ganze Leben Stress macht, egal was für Wetter gerade herrscht.
    »Es liegt eindeutig daran, dass sie zu früh kastriert wurde«, sagt Krause dreihundertfünfundfünfzig.
    »Es liegt eindeutig daran, dass sie zu spät kastriert wurde«, sagt Krause dreihundertsechsundfünfzig.
    »Sie ist überhaupt nicht kastriert worden«, sage ich.
    »Das erklärt alles«, sagt Krause dreihundertsiebenundfünfzig.

    Ich gucke meine Hündin an, die gerade mit allen vieren gleichzeitig in die Böschung springt, die Nase in die Erde rammt, eine Maus herauszieht und genüsslich darauf herumkaut, als wäre es ein dickes Karamellbonbon.
    Ach Fachwelt, denke ich, lass uns doch einfach in Ruhe. Wo ist das Problem? Das ist doch ein großartiges Hundemädchen. Ich beschließe jetzt einfach, dass sie nicht jeden mögen muss.
    Wenn sie mit den Hinterwäldlern auf der Hundewiese nicht spielen will? Na und, dann schicke ich sie halt nicht hin. Wenn ihr sozial kompetente Idioten entgegenkommen, die ihr nicht in den Kram passen? Na und, dann dreht sie halt durch. Ich kriege doch auch einen Hals, wenn ein Achtzig-Stundenkilometer-Depp
die mittlere Autobahnspur blockiert. Man wird ja wohl noch ausflippen, seinen Dickkopf behalten, seine Macken ausleben dürfen.
    Krauses, ihr könnt uns mal kreuzweise! Und ihr Bravhundehalter, die ihr immer Ts ts macht, wenn ihr uns ausrasten seht, könnt uns auch. Es ist gut, so wie es ist. Luna ist gut. Leben ist gut. Ich bin gut. Fehler machen ist gut. Wer damit nicht zurechtkommt, verschone mich mit Ratschlägen und rutsche mir den Buckel runter.
    Ich habe diesen Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, da wird mein Hund ruhiger!

    »Das hat Luna aber klasse hingekriegt«, sagt Stella und zählt die letzten vier Begegnungen auf. »Das krakeelende Dackelgeschwader beim alten Kalkofen, der Ridgeback mit dem Stock quer im Maul, die zwei Doberfrauen am Teich, die Collies hinter der Winkelsmühle mit ihren Bällchen. Luna ist jedes Mal ruhig geblieben.«
    Es ist ein warmer Spätsommertag, einige Wochen nach meinem Ihr-könnt-mich-mal-Entschluss. Stella und ich sitzen an der Düssel und werfen kleine Kiesel ins Wasser. Luna buddelt im Bachbett nach dicken Steinen und schimpft auf

Weitere Kostenlose Bücher