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Herren der Tiefe

Herren der Tiefe

Titel: Herren der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen
wahrhaft atemberaubenden Anblick. Sie trug noch immer das
einfache weiße Kleid, in dem er sie das erste Mal gesehen hatte,
und ihr Gesicht war noch immer so bleich wie zuvor, aber damit
hörte die Ähnlichkeit mit der Serena, die er kannte, auch
schon auf. Statt krank und leidend sah ihr Gesicht jetzt unglaublich lebendig aus. In ihren Augen glänzte ein Feuer, wie
Mike es noch nie zuvor in denen eines Menschen erblickt hatte,
und das blonde Haar umfloß ihr Gesicht und ihre Schultern wie
eine Löwenmähne; es schien elektrisch geladen zu sein und funkelte, wenn das Sonnenlicht darauf fiel. Ihre Bewegungen waren
so elegant und grazil wie die einer Katze. Serena strahlte eine
Lebendigkeit und Stärke aus, die Mike schaudern ließ. Er
hatte niemals zuvor einen Menschen gesehen, der mehr Kraft
zu haben schien; auf eine Weise, die nichts mit körperlicher
Stärke zu tun hatte.
Und so ganz nebenbei – der schöner gewesen wäre.
»Danke für das Kompliment«, sagte Serena. »Aber du hast
meine Mutter nicht gekannt. Gegen sie wäre ich eine häßliche Kröte. Und außerdem mag ich keine Schmeicheleien.«
Mikes Unterkiefer klappte herunter. »Du… liest meine Gedanken?« keuchte er.
»Selbstverständlich tue ich das«, antwortete Serena.
Sie
machte ein fragendes Gesicht, dann fuhr sie fort: »Oh, entschuldige – ich habe ganz vergessen, daß ihr das ja nicht mögt.
Ihr seid ein seltsames Volk.«
Mike starrte sie aus ungläubig aufgerissenen Augen
an,
dann riß er seinen Blick mühsam von ihr los und sah den Kater vorwurfsvoll an. »Davon hast du mir nichts gesagt!«
Astaroth grinste unverschämt. Du hast mich nie gefragt, antwortete er. Außerdem liebe ich Überraschungen.
»Soll das heißen, daß… daß alle Atlanter Gedanken lesen können?« fragte Mike fassungslos.
»Das soll es heißen«, antwortete Serena an Astaroths Stelle.
Ihre Stimme klang ein wenig ungeduldig. »Aber was willst du
eigentlich – dich mit dem Kater unterhalten oder mit mir?«
»Mit dir selbstverständlich«, antwortete Mike hastig.
»Entschuldige. Es ist so –«
»Jaja, schon gut.« Serena machte eine ungeduldige Geste. Sie
kam näher. Der Stuhl, auf dem Singh saß, stand ihr im Weg,
aber sie machte keinerlei Anstalten, ihm auszuweichen, und so
sprang der Inder im letzten Augenblick hoch und trat beiseite.
Der Blick, mit dem er Serena dabei maß, war alles andere als
freundlich. Seine Gedanken wohl auch nicht, denn Serena
blieb schließlich doch stehen und sah den Sikh mit gerunzelter
Stirn an. Sie sagte nichts, sondern wandte sich wieder Mike zu.
Aber die Art, auf die sie dies tat, gefiel ihm nicht. Er hatte das
Gefühl, daß Serena es einfach nicht der Mühe wert fand, sich
mit Singh abzugeben.
»Astaroth hat mir erzählt, was du für mich getan hast«, sagte
sie. »Und für ihn. Ich bin hergekommen, um mich dafür zu bedanken – und meine Schulden zu begleichen.«
Mike hörte die Worte kaum. Er starrte Serena unverwandt an.
Je näher sie ihm kam, desto schöner erschien sie ihm. Er blickte
in ihr Gesicht, und er konnte sich an dem, was er sah, einfach
nicht satt sehen.
Serenas Stirnrunzeln vertiefte sich. »Wenn du noch ein bißchen weiter in die Richtung denkst, in die du gerade denkst, handelst du dir eine saftige Ohrfeige ein«, sagte sie. »Zeig mir deine
Hände!«
Mike fuhr schuldbewußt zusammen, streckte aber gehorsam
die Hände aus. Er wußte selbst nicht genau, woran er gerade
gedacht hatte
– hinter seiner Stirn purzelten die Gedanken
wild durcheinander, und er hatte das Gefühl, daß er nur Unsinn
reden würde, wenn er jetzt den Mund aufmachte.
»Nicht nur, wenn du den Mund aufmachst«, sagte Serena in
leicht verärgertem Ton. Sie begann die Verbände von Mikes
Händen zu lösen, sehr schnell, aber alles andere als zartfühlend.
Nach ein paar Sekunden schon dachte Mike nicht mehr an die
Schönheit Serenas, sondern raffte all seine Selbstbeherrschung
zusammen, um nicht vor Schmerz aufzustöhnen.
»Was tust du da eigentlich?« stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Halt still, und du siehst es gleich«, antwortete Serena. Sie
schüttelte den Kopf. »Ihr seid ein ziemlich weinerliches Volk,
wie?«
Mike ächzte – wenn auch jetzt eher vor Verblüffung als vor
Schmerz. Weinerlich? Jetzt, wo die Verbände nicht mehr da
waren, konnte er sehen, daß die Schnittwunden in seinen Handflächen bis auf die Knochen hinunterreichten. Kein Wunder, daß
er um ein Haar gestorben wäre. Und

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