Herren der Tiefe
etwas für ihn
tun konnte, begann er Mike den Rest der Geschichte zu erzählen, die er und die anderen von Denholm erfahren hatten. Sie war
nicht sehr lang – aber so phantastisch, daß es Mike schwerfiel,
sie zu
glauben – obwohl er den Beweis für ihre Wahrheit ja
mit eigenen Augen gesehen hatte.
Das Volk lebte seit Urzeiten hier unten. Singh konnte nicht sagen, wie viele sie waren – auf diese Frage hatte Denholm beharrlich geschwiegen
–, aber aus gewissen Andeutungen hatte
Trautman wohl geschlossen, daß sie allerhöchstens nach Hunderten zählten, nicht nach Tausenden, und es handelte sich ausnahmslos um Nachkommen der Seefahrer, die mit ihren Schiffen hierher verschleppt worden waren. Niemand vermochte zu
sagen, wann der erste Mensch in dieser unterseeischen Welt
angekommen war, und niemand wußte, warum. Obwohl Denholms Vorfahren jahrhundertelang verbissen versucht hatten,
dieses Geheimnis zu lösen, ebensowenig, wie sie sagen konnten,
wer diese unglaubliche Stadt erschaffen hatte und zu welchem Zweck. Sie hatten sich eingerichtet, so gut es eben ging,
und da es an Bord der Schiffe auch immer wieder Frauen gegeben hatte, war hier, auf dem Grund des Meeres, eine richtige
kleine Gesellschaft entstanden, die nach ihren eigenen Regeln
funktionierte und offensichtlich überlebensfähig war.
An diesem Punkt endete Singhs Geschichte auch schon wieder,
und sie ließ Mike alles andere als befriedigt zurück. Was der
Inder ihm erzählt hatte, hatte viel mehr Fragen aufgeworfen
als beantwortet, und es hatte auch nicht dazu beigetragen, ihn
zu beruhigen. Ganz im Gegenteil. Je länger er zuhörte, desto
mehr machte sich eine neue, nagende Furcht in ihm breit. »Hat
Trautman schon einen Plan?« fragte er, als Singh geendet hatte.
»Einen Plan?« wiederholte der Inder. »Ich fürchte, ich verstehe
nicht…«
»Einen Plan, wie wir hier wieder herauskommen«, antwortete
Mike ungeduldig. Er richtete sich wieder auf und sah den Inder
erschrocken an. »Du willst mir doch nicht erzählen, daß ihr
euch damit abgefunden habt, hierzubleiben, oder?«
»Ich… weiß es nicht, Herr«, antwortete Singh ausweichend.
»Wir haben bisher nicht darüber gesprochen.«
Mike setzte zu einer scharfen Antwort an, aber in diesem
Moment hörten sie ein Geräusch von der Tür her, und Mike
fand gerade noch Zeit, sich herumzudrehen, da huschte auch
schon ein struppiger schwarzer Blitz herein, war mit einem einzigen Satz auf dem Bett und sprang Mike so ungestüm an, daß
dieser wieder zurückfiel und sich erst einmal sekundenlang des
Katers zu erwehren versuchte, der auf seiner Brust hockte und
ihm wie ein liebestoller Hund mit seiner rauhen Zunge das Gesicht abschleckte.
Mike! Mein dummer, kleiner Menschenfreund! Du lebst und
bist gesund! Poseidon sei Dank!
Mike rang nach Atem, packte den Kater mit beiden
Händen und schob ihn ein Stück weit von sich fort.
»Was ist denn in dich gefahren?« keuchte er. »Hältst du dich
für einen Dackel?«
Ich wollte mich nur bedanken, antwortete Astaroth. Und
was ist ein Dackel?
Ehe Mike es verhindern konnte, erschien das Bild dieses Tieres in seinen Gedanken, und Astaroth zog beleidigt die Nase
kraus und löste sich aus seinem Griff. Typisch Mensch, maulte er. Da läßt man sich einmal herab und will freundlich sein, und er
dankt es einem mit einer Beleidigung
. »So war das nicht gemeint«, sagte Mike hastig. Plötzlich
lachte er. »Ach, verdammt, ich bin genauso froh, dich zu sehen.
Ich hatte schon Angst, daß es um dich geschehen ist.«
Wäre es auch fast, erwiderte Astaroth. Wenn du nicht eingegriffen hättest… Das war unbeschreiblich tapfer von dir – wenigstens für einen Menschen –
»Danke«, sagte Mike strahlend.
– aber auch unbeschreiblich dämlich, fuhr Astaroth
fort. Seit wann greift man mit bloßen Händen nach einem scharfen
Messer? Mike seufzte. Was hatte er eigentlich erwartet?
Aber ich bin nicht nur gekommen, um mich von dir beschimpfen zu lassen, erklärte Astaroth großzügig.
»Sondern?« fragte Mike.
Ich soll dir das Erscheinen einer hochgestellten Persönlichkeit
ankündigen, antwortete der Kater. Er hob mit einer durch und
durch menschlich anmutenden Geste die rechte Vorderpfote
und deutete zur Tür. Prinzessin Serena, die rechtmäßige Herrscherin von Atlantis.
Mike sah zur Tür – und hielt die Luft an, als das Mädchen
den Raum betrat. Und vermutlich hätte er das auch ohne Astaroths bombastischer Ankündigung getan, denn Serena bot
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